Donnerstag, 20. Dezember
Lars musste sich beeilen. Er hatte noch drei Stunden, bevor
sein Zug nach Köln ging und er wollte eigentlich noch kurz nach
Weihnachtsgeschenken schauen. Vorher musste er aber noch Lottes Mail
beantworten, dazu würde er in Köln vermutlich nicht die nötige Ruhe haben. Er
war gestern Abend doch noch ausgegangen. Nachdem er Charlottes Mail gelesen
hatte, war er so frustriert gewesen, dass dieses Biest ihm direkt unter die
Nase reiben musste, dass sie sich auch anderweitig vergnügt hatte, dass er
beschloss, er könne ebenso gut wieder auf die Jagd gehen. Gebracht hatte es ihm
nichts, in keiner Bar war ihm eine Frau begegnet, die auch nur ansatzweise
seinen Ansprüchen genügt hätte. Stattdessen hatte er ständig darüber grübeln
müssen, mit wem Charlotte sich wohl vergnügt hatte. Er wusste, dass es einen
Kommilitonen gab, den sie seit längerem sehr attraktiv fand, das hatte sie ihm
offen gesagt und ihn hatten seitdem immer wieder Bedenken beschlichen, dass sie
sich irgendwann für einen jüngeren und unkomplizierteren Fall als ihn
entscheiden könnte, wenn er ihre Geduld zu sehr strapazierte. Was sie
geschrieben hatte, war zwar sehr unpräzise gewesen und konnte genauso gut eine
Zufallsbekanntschaft sein, aber trotzdem ärgerte es ihn extrem. Noch schlimmer
war eigentlich, dass sie es mit Sicherheit nur aus Rache getan hatte, um ihm
eins auszuwischen für seine Unentschlossenheit und vielleicht auch dafür, dass
er sich weiterhin mit anderen Frauen vergnügte, während es mit ihnen nicht
weiterging, was er ihr realistisch betrachtet nicht einmal übelnehmen konnte.
Eigentlich wusste er also, wie er es zu nehmen hatte, dennoch machte es das
nicht besser. Er hasste die Vorstellung, wie sie es mit anderen Männern trieb
und sie wusste das.
Sie hatten sich einmal sehr lange darüber unterhalten, als
es darum gegangen war, wie eine mögliche Beziehung zwischen ihnen nach einer
Trennung von Ute aussehen konnte, schließlich wusste Charlotte im Gegensatz zu
Ute, mit welchen Wassern er gewaschen war. Er hatte ihre Vermutung bestätigt,
dass er körperlich unter keinen Umständen treu bleiben konnte, egal wie gut der
Sex zwischen ihnen wäre, er war einfach nicht für monogame Sexbeziehungen
gemacht und da würde ihn auch keine Frau mehr ändern können. Allerdings hatte
er ihr seine Beweggründe offen erläutert und irgendwann hatte Charlotte
eingesehen, dass emotionale Treue, die er ihr sicher versprach und die sie ihm
auch glaubte, wichtiger und ein viel größere Bindung wäre als die Tatsache, mit
wem man seine animalischen Bedürfnisse auslebt. Als sie jedoch forderte, dann
ebenfalls Freiheiten haben zu wollen und sich genauso mit anderen Männern
ausleben zu können, war das nicht unbedingt sein Traum gewesen. Auch das hatte
er ihr erklärt, dass da wohl die urmännlichen Bedürfnisse zu Tage traten, dass
man seine Frau für sich alleine haben wollte, unabhängig davon, was man selber
tat. Sie hatte ihm klargemacht, dass das mit ihr so nicht laufen würde und
entweder er würde sich einschränken oder es gäbe gleiches Recht für alle. Am
Ende hatten sie sich so weit geeinigt, dass sie beide in fremden Gewässern
fischen durften, jedoch mit gewissen Einschränkungen, falls der andere mit
irgendetwas gar nicht klarkam. Wie das genau aussehen wollte, wollten sie aber
erst besprechen, wenn es soweit war. Noch war Charlotte ihm eigentlich keine
Rechenschaft schuldig – trotzdem machte es ihn rasend, wenn er daran dachte,
sie könnte sich mit einem anderen vergnügen. Oder wenn sie es ihm gar auf’s Brot schmierte, so wie gestern. Es
hatte ihm derartig die Laune verhagelt, dass er am Ende alleine in seine Wohnung
zurückgekehrt war, weil er das Gefühl hatte, es hätte sowieso keine der Damen
dieser Nacht auch nur ansatzweise Charlotte das Wasser reichen können.
Trotzdem durfte er ihr seinen Ärger in seiner Antwort nicht
zu offensichtlich zeigen, das würde sie am Ende so erfreuen, dass es sie zu
weiteren Aktionen dieser Art anstiften könnte und das wollte er unter keinen
Umständen riskieren. Ihm schwante sowieso nichts Gutes, was den gestrigen Abend
anging, er hatte mitbekommen, dass der FC im DFB-Pokal gespielt hatte und
dieses Spiel hatte sie mit Sicherheit nicht alleine zu Hause verfolgt.
Betreff: Hmmm…
12:14 20.12.2012
Liebe Charlotte,
es tut mir leid zu
hören, dass Du Zweifel an meiner Entschlossenheit hast. Aber ich werde meinen
Worten Taten folgen lassen zur gegebenen Zeit, verlasse Dich auf mich.
Wie ich gelesen habe,
hast Du ebenfalls nicht lange gefackelt und Taten folgen lassen. Schön, dass Du
Spaß hattest, das freut mich sehr. Wie hieß denn Dein Braten? Mein
Montagsbraten hieß Shannon, eine irische Studentin, ganz was Feines, sage ich Dir.
Der Prototyp aller Vorurteile über Rothaarige. Den Namen des Dienstagsbratens
habe ich vergessen, es ist mir sehr peinlich. Ich glaube, es war entweder
Monique oder Marie, irgendwas mit M auf jeden Fall, aber vielleicht auch ein
ganz anderer Name, auf jeden Fall aber mit M. Ist mir sehr peinlich, dass ich
ihn vergessen habe, ist mir auch noch nie passiert. Du weißt, ich lege
eigentlich Wert darauf, meine Auswahl zu schätzen. Auf der Suche nach dem
Mittwochsbraten bin ich nicht fündig geworden, es war mir keine genehm. Zu groß
war die Sehnsucht nach Dir, liebes Lottchen… Ich hoffe, Du hast mich nach
Deinem Spieleabend auch umso mehr vermisst und nicht Deinen Hunger nach dem
FC-Spiel gestern (ja, ich habe mitbekommen, dass sie gespielt haben) erneut gestillt.
Also sag mir, wer war
es? Ich hoffe, nicht dieser Adam oder wie Dein geschätzter Kommilitone letztens
hieß?!
Ich muss jetzt enden,
ich wollte noch nach Weihnachtsgeschenken schauen, bevor der Zug nach Hause
geht.
A propos, hast Du
einen speziellen Wunsch?
Lottchen, sei mir
nicht böse und vor allem – schmoll nicht und vergnüg Dich dabei mit fremden
Männern, ich mag das nicht!
Kuss
Lars
*****
Zufrieden las Lotte seine Mail. Der Stich hatte also
gesessen, Lars war tatsächlich eifersüchtig geworden auf ihr kleines Abenteuer.
Gestern Abend hätte sie es gerne wiederholt, zumal der Frust nach dem Pokal-Aus
groß gewesen war, aber Jan hatte ihre SMS ignoriert und auf einen anderen hatte
sie keine Lust gehabt.
Betreff: Tja…
18:28 19.12.2012
… mein lieber Lars,
höre ich da etwa eine gewisse Eifersucht herausklingen, wenn Du mir schon Deine
ganze Speisekarte von dieser Woche aufzählst? Das tut mir leid, das war gewiss
nicht mein Motiv. Allein, der Frust war groß und die Gelegenheit war günstig,
quasi Schicksal. Hast Du eine Idee, wer es gewesen sein könnte? Adam war es
nicht, soweit ist es (leider noch) nicht. Also, wer könnte es gewesen sein? ;-)
Wer es bei Dir heute
Abend wird, weiß ich ja… Schläfst Du jetzt auch wieder häufiger mit ihr, damit
sie sich besser fühlt?
Entschuldige, das
klingt vielleicht böser, als es gemeint ist. Ich frage rein interessehalber…
Was ich mir zu
Weihnachten wünsche? Hab ich Dir das nicht letztens gesungen? Santa Baby…
remember?
Gruß
Lotte
PS: Was wünschst Du
Dir zu Weihnachten? Ich dachte schon an „Wie werde ich sie los in zehn Tagen“?!
;-)
*****
Ute hatte ihn so fröhlich empfangen wie seit Wochen nicht
mehr. Eigentlich hätte er sich freuen sollen, aber es ließ Lars‘ schlechtes
Gewissen ihr gegenüber wieder erwachen. Dieses hatte auch dafür gesorgt, dass
er den Abend mit ihr auf dem Sofa verbracht hatte und einen Film angesehen
hatte, der ihn kein Stück interessierte. Nun war sie im Bett und er hatte
gesagt, er wolle noch kurz ein wenig arbeiten, bevor er auch käme. Stattdessen
war es ihm natürlich nur darum gegangen, die Gelegenheit zu nutzen, in Ruhe
nach seinen Mails sehen zu können. Tatsächlich fand er eine Antwort von
Charlotte auf seine Mail von heute Mittag, allerdings nicht unbedingt das, was
er sich erhofft hatte. Realistisch war nicht unbedingt etwas anderes zu
erwarten gewesen, sie war trotzig, wenn es nicht nach ihrem Willen lief und
eben auch nicht die Frau, die sich ihm widerstandslos beugte. So musste er nun
also mit ihrer, wie er fand, ziemlich rotzigen Antwort leben.
Betreff: Ach Lottchen…
23:20 20.12.2012
Lottchen, Lottchen,
was machst Du denn nur? Schlag doch nicht immer gleich um
Dich, wenn es mal nicht ganz nach Deiner Nase läuft.
Also schön, Du willst ernsthaft, dass ich rate? Du willst
mich wohl wirklich quälen… nach Deiner Beschreibung wird Dein Bock dann wohl
den Namen Jan getragen haben? Du erwartest aber nicht ernsthaft, dass ich mich
jetzt für Dich freue? Ganz ehrlich, wenn Du Frust hast und mich ärgern
möchtest, dann bitte, aber tu es um Deiner selbst Willen nicht mit Jan.
Charlotte, bitte, mach keinen Unsinn. Lass uns jetzt vor Weihnachten friedlich
bleiben und danach wird alles gut. Mach Dir keinen Kopf wegen den
Weihnachtstagen, hier wird mit Sicherheit nicht plötzlich die Harmonie
ausbrechen. Du weißt doch, ich bin generell kein Fan von Weihnachten und die
Tatsache, dass ich Ute jetzt quasi „permanent ausgesetzt“ bin, wird unsere
Beziehung sicherlich nicht bestärken, ich brauche meine Freiheiten. Lottchen,
ich vermisse Dich jetzt schon und ich hoffe sehr, dass wir uns über die
Feiertage häufig hören bzw. lesen werden. Vielleicht schaffen wir es ja auch,
uns zu sehen? Sag mir mal, wann Du Zeit hast bzw. wie Dein Weihnachtsprogramm
aussieht und dann schauen wir, ob wir eine gemeinsame Lücke finden.
Deine „Wunschliste“ habe ich erinnert, ich habe auch
bereits eine Idee, Du darfst gespannt sein.
Was ich mir wünsche, hast Du gefragt… erinnerst Du Dich
noch an den Adventskalender letztes Jahr? Da hast Du mir einmal ein ganz
bezauberndes Video von einer „Hallelujah“-Interpretation von der Cohen-Version
geschickt. Lottchen, wenn Du das für mich singen würdest, das fände ich noch
viel schöner als „Santa Baby“. Das wünsche ich mir zu Weihnachten. Und, dass Du
Dich wieder an die Zeilen aus „Santa Baby“ erinnerst, wo Du gesungen hast, dass
Du die Finger von anderen Männern lässt… Die Vorstellung quält mich, auch wenn
ich Dir nichts verbieten kann. Aber Du weißt es. Und ich glaube, Du nutzt es
gerade ein bisschen… Ich freue mich schon, wenn wir eine Wiederholung erfahren.
So, nun muss ich aber ins Bett und werde sicherlich etwas
Schönes von Dir träumen…
Schlaf gut, mein süßes Lottchen!
Dein Lars
Dein Lars
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