Donnerstag, 20. Dezember 2012

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Donnerstag, 20. Dezember

Lars musste sich beeilen. Er hatte noch drei Stunden, bevor sein Zug nach Köln ging und er wollte eigentlich noch kurz nach Weihnachtsgeschenken schauen. Vorher musste er aber noch Lottes Mail beantworten, dazu würde er in Köln vermutlich nicht die nötige Ruhe haben. Er war gestern Abend doch noch ausgegangen. Nachdem er Charlottes Mail gelesen hatte, war er so frustriert gewesen, dass dieses Biest ihm direkt unter die Nase reiben musste, dass sie sich auch anderweitig vergnügt hatte, dass er beschloss, er könne ebenso gut wieder auf die Jagd gehen. Gebracht hatte es ihm nichts, in keiner Bar war ihm eine Frau begegnet, die auch nur ansatzweise seinen Ansprüchen genügt hätte. Stattdessen hatte er ständig darüber grübeln müssen, mit wem Charlotte sich wohl vergnügt hatte. Er wusste, dass es einen Kommilitonen gab, den sie seit längerem sehr attraktiv fand, das hatte sie ihm offen gesagt und ihn hatten seitdem immer wieder Bedenken beschlichen, dass sie sich irgendwann für einen jüngeren und unkomplizierteren Fall als ihn entscheiden könnte, wenn er ihre Geduld zu sehr strapazierte. Was sie geschrieben hatte, war zwar sehr unpräzise gewesen und konnte genauso gut eine Zufallsbekanntschaft sein, aber trotzdem ärgerte es ihn extrem. Noch schlimmer war eigentlich, dass sie es mit Sicherheit nur aus Rache getan hatte, um ihm eins auszuwischen für seine Unentschlossenheit und vielleicht auch dafür, dass er sich weiterhin mit anderen Frauen vergnügte, während es mit ihnen nicht weiterging, was er ihr realistisch betrachtet nicht einmal übelnehmen konnte. Eigentlich wusste er also, wie er es zu nehmen hatte, dennoch machte es das nicht besser. Er hasste die Vorstellung, wie sie es mit anderen Männern trieb und sie wusste das.
Sie hatten sich einmal sehr lange darüber unterhalten, als es darum gegangen war, wie eine mögliche Beziehung zwischen ihnen nach einer Trennung von Ute aussehen konnte, schließlich wusste Charlotte im Gegensatz zu Ute, mit welchen Wassern er gewaschen war. Er hatte ihre Vermutung bestätigt, dass er körperlich unter keinen Umständen treu bleiben konnte, egal wie gut der Sex zwischen ihnen wäre, er war einfach nicht für monogame Sexbeziehungen gemacht und da würde ihn auch keine Frau mehr ändern können. Allerdings hatte er ihr seine Beweggründe offen erläutert und irgendwann hatte Charlotte eingesehen, dass emotionale Treue, die er ihr sicher versprach und die sie ihm auch glaubte, wichtiger und ein viel größere Bindung wäre als die Tatsache, mit wem man seine animalischen Bedürfnisse auslebt. Als sie jedoch forderte, dann ebenfalls Freiheiten haben zu wollen und sich genauso mit anderen Männern ausleben zu können, war das nicht unbedingt sein Traum gewesen. Auch das hatte er ihr erklärt, dass da wohl die urmännlichen Bedürfnisse zu Tage traten, dass man seine Frau für sich alleine haben wollte, unabhängig davon, was man selber tat. Sie hatte ihm klargemacht, dass das mit ihr so nicht laufen würde und entweder er würde sich einschränken oder es gäbe gleiches Recht für alle. Am Ende hatten sie sich so weit geeinigt, dass sie beide in fremden Gewässern fischen durften, jedoch mit gewissen Einschränkungen, falls der andere mit irgendetwas gar nicht klarkam. Wie das genau aussehen wollte, wollten sie aber erst besprechen, wenn es soweit war. Noch war Charlotte ihm eigentlich keine Rechenschaft schuldig – trotzdem machte es ihn rasend, wenn er daran dachte, sie könnte sich mit einem anderen vergnügen. Oder wenn sie es ihm  gar auf’s Brot schmierte, so wie gestern. Es hatte ihm derartig die Laune verhagelt, dass er am Ende alleine in seine Wohnung zurückgekehrt war, weil er das Gefühl hatte, es hätte sowieso keine der Damen dieser Nacht auch nur ansatzweise Charlotte das Wasser reichen können.
Trotzdem durfte er ihr seinen Ärger in seiner Antwort nicht zu offensichtlich zeigen, das würde sie am Ende so erfreuen, dass es sie zu weiteren Aktionen dieser Art anstiften könnte und das wollte er unter keinen Umständen riskieren. Ihm schwante sowieso nichts Gutes, was den gestrigen Abend anging, er hatte mitbekommen, dass der FC im DFB-Pokal gespielt hatte und dieses Spiel hatte sie mit Sicherheit nicht alleine zu Hause verfolgt.



Betreff: Hmmm…
12:14 20.12.2012

Liebe Charlotte,

es tut mir leid zu hören, dass Du Zweifel an meiner Entschlossenheit hast. Aber ich werde meinen Worten Taten folgen lassen zur gegebenen Zeit, verlasse Dich auf mich.

Wie ich gelesen habe, hast Du ebenfalls nicht lange gefackelt und Taten folgen lassen. Schön, dass Du Spaß hattest, das freut mich sehr. Wie hieß denn Dein Braten? Mein Montagsbraten hieß Shannon, eine irische Studentin, ganz was Feines, sage ich Dir. Der Prototyp aller Vorurteile über Rothaarige. Den Namen des Dienstagsbratens habe ich vergessen, es ist mir sehr peinlich. Ich glaube, es war entweder Monique oder Marie, irgendwas mit M auf jeden Fall, aber vielleicht auch ein ganz anderer Name, auf jeden Fall aber mit M. Ist mir sehr peinlich, dass ich ihn vergessen habe, ist mir auch noch nie passiert. Du weißt, ich lege eigentlich Wert darauf, meine Auswahl zu schätzen. Auf der Suche nach dem Mittwochsbraten bin ich nicht fündig geworden, es war mir keine genehm. Zu groß war die Sehnsucht nach Dir, liebes Lottchen… Ich hoffe, Du hast mich nach Deinem Spieleabend auch umso mehr vermisst und nicht Deinen Hunger nach dem FC-Spiel gestern (ja, ich habe mitbekommen, dass sie gespielt haben) erneut gestillt.

Also sag mir, wer war es? Ich hoffe, nicht dieser Adam oder wie Dein geschätzter Kommilitone letztens hieß?!

Ich muss jetzt enden, ich wollte noch nach Weihnachtsgeschenken schauen, bevor der Zug nach Hause geht.
A propos, hast Du einen speziellen Wunsch?

Lottchen, sei mir nicht böse und vor allem – schmoll nicht und vergnüg Dich dabei mit fremden Männern, ich mag das nicht!

Kuss

Lars


*****

Zufrieden las Lotte seine Mail. Der Stich hatte also gesessen, Lars war tatsächlich eifersüchtig geworden auf ihr kleines Abenteuer. Gestern Abend hätte sie es gerne wiederholt, zumal der Frust nach dem Pokal-Aus groß gewesen war, aber Jan hatte ihre SMS ignoriert und auf einen anderen hatte sie keine Lust gehabt.


Betreff: Tja…
18:28 19.12.2012

… mein lieber Lars, höre ich da etwa eine gewisse Eifersucht herausklingen, wenn Du mir schon Deine ganze Speisekarte von dieser Woche aufzählst? Das tut mir leid, das war gewiss nicht mein Motiv. Allein, der Frust war groß und die Gelegenheit war günstig, quasi Schicksal. Hast Du eine Idee, wer es gewesen sein könnte? Adam war es nicht, soweit ist es (leider noch) nicht. Also, wer könnte es gewesen sein? ;-)

Wer es bei Dir heute Abend wird, weiß ich ja… Schläfst Du jetzt auch wieder häufiger mit ihr, damit sie sich besser fühlt?
Entschuldige, das klingt vielleicht böser, als es gemeint ist. Ich frage rein interessehalber…

Was ich mir zu Weihnachten wünsche? Hab ich Dir das nicht letztens gesungen? Santa Baby… remember?

Gruß

Lotte

PS: Was wünschst Du Dir zu Weihnachten? Ich dachte schon an „Wie werde ich sie los in zehn Tagen“?! ;-)


*****

Ute hatte ihn so fröhlich empfangen wie seit Wochen nicht mehr. Eigentlich hätte er sich freuen sollen, aber es ließ Lars‘ schlechtes Gewissen ihr gegenüber wieder erwachen. Dieses hatte auch dafür gesorgt, dass er den Abend mit ihr auf dem Sofa verbracht hatte und einen Film angesehen hatte, der ihn kein Stück interessierte. Nun war sie im Bett und er hatte gesagt, er wolle noch kurz ein wenig arbeiten, bevor er auch käme. Stattdessen war es ihm natürlich nur darum gegangen, die Gelegenheit zu nutzen, in Ruhe nach seinen Mails sehen zu können. Tatsächlich fand er eine Antwort von Charlotte auf seine Mail von heute Mittag, allerdings nicht unbedingt das, was er sich erhofft hatte. Realistisch war nicht unbedingt etwas anderes zu erwarten gewesen, sie war trotzig, wenn es nicht nach ihrem Willen lief und eben auch nicht die Frau, die sich ihm widerstandslos beugte. So musste er nun also mit ihrer, wie er fand, ziemlich rotzigen Antwort leben.


Betreff: Ach Lottchen…
23:20 20.12.2012

Lottchen, Lottchen,

was machst Du denn nur? Schlag doch nicht immer gleich um Dich, wenn es mal nicht ganz nach Deiner Nase läuft.

Also schön, Du willst ernsthaft, dass ich rate? Du willst mich wohl wirklich quälen… nach Deiner Beschreibung wird Dein Bock dann wohl den Namen Jan getragen haben? Du erwartest aber nicht ernsthaft, dass ich mich jetzt für Dich freue? Ganz ehrlich, wenn Du Frust hast und mich ärgern möchtest, dann bitte, aber tu es um Deiner selbst Willen nicht mit Jan. Charlotte, bitte, mach keinen Unsinn. Lass uns jetzt vor Weihnachten friedlich bleiben und danach wird alles gut. Mach Dir keinen Kopf wegen den Weihnachtstagen, hier wird mit Sicherheit nicht plötzlich die Harmonie ausbrechen. Du weißt doch, ich bin generell kein Fan von Weihnachten und die Tatsache, dass ich Ute jetzt quasi „permanent ausgesetzt“ bin, wird unsere Beziehung sicherlich nicht bestärken, ich brauche meine Freiheiten. Lottchen, ich vermisse Dich jetzt schon und ich hoffe sehr, dass wir uns über die Feiertage häufig hören bzw. lesen werden. Vielleicht schaffen wir es ja auch, uns zu sehen? Sag mir mal, wann Du Zeit hast bzw. wie Dein Weihnachtsprogramm aussieht und dann schauen wir, ob wir eine gemeinsame Lücke finden.
Deine „Wunschliste“ habe ich erinnert, ich habe auch bereits eine Idee, Du darfst gespannt sein.
Was ich mir wünsche, hast Du gefragt… erinnerst Du Dich noch an den Adventskalender letztes Jahr? Da hast Du mir einmal ein ganz bezauberndes Video von einer „Hallelujah“-Interpretation von der Cohen-Version geschickt. Lottchen, wenn Du das für mich singen würdest, das fände ich noch viel schöner als „Santa Baby“. Das wünsche ich mir zu Weihnachten. Und, dass Du Dich wieder an die Zeilen aus „Santa Baby“ erinnerst, wo Du gesungen hast, dass Du die Finger von anderen Männern lässt… Die Vorstellung quält mich, auch wenn ich Dir nichts verbieten kann. Aber Du weißt es. Und ich glaube, Du nutzt es gerade ein bisschen… Ich freue mich schon, wenn wir eine Wiederholung erfahren.

So, nun muss ich aber ins Bett und werde sicherlich etwas Schönes von Dir träumen…

Schlaf gut, mein süßes Lottchen!

Dein Lars

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