Sonntag, 23. Dezember 2012

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Sonntag, 23. Dezember

Susanne hatte sie gestern davon überzeugen können, dass es taktisch am klügsten wäre, erst einmal weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Ruhe zu bewahren. Sie kannte nun ihre Konkurrenz und die Erklärung für wahrscheinlich so einige Probleme zwischen ihr und Lars in letzter Zeit. Statt ihn zur Rede zu stellen und sich fadenscheinige Erklärungen anzuhören, würde sie sich ihren Wissensvorsprung zunutze machen. Wer seinen Feind kennt, kann etwas gegen ihn tun, so hatte Susanne es formuliert und sie hatte Recht. Ute war nicht bereit, sich einfach so geschlagen zu geben und Lars kampflos einer anderen Frau zu überlassen, schon gar nicht dieser Charlotte Holzheim. Sie hätte ihm wahrlich einen besseren Geschmack zugetraut. Aber nun musste sie das Beste daraus machen und ihr Wissen nutzen. Es würde ihr zwar schwerfallen, gerade jetzt über Weihnachten, so zu tun, als ob nichts wäre, aber Susanne hatte sie gestern so lange geimpft, dass sie sich sicher war, sie konnte es schaffen. Überhaupt fühlte sie einen Kampfgeist in sich wie noch nie zuvor.
Sie würde herausfinden, was ihm fehlte, was er bei ihr suchte und es ihm dann geben, so dass er nur noch sie wollte und nie wieder eine andere. Bestimmt war es nur ein Abenteuer, sie konnte sich nicht vorstellen, dass Lars sich mit so einer Person etwas Langfristiges vorstellen konnte, dafür erschien sie ihr zu vulgär. Sie erinnerte sich noch sehr gut, wie sie ihr einmal begegnet war mit einer Horde von Fußballfans, sie war sturzbetrunken gewesen und hatten irgendwelche niveaulosen Fußballlieder gesungen. So eine Frau war mit Sicherheit nicht Lars‘ Klasse. Nein, was immer er bei ihr suchte, sie würde es herausfinden und ihm geben und dann würde sein Interesse sehr schnell verrauchen. Schließlich wollte er eine Familie und kein junges Ding, das vom Leben keine Ahnung hatte. Vielleicht hatte er sich geschmeichelt gefühlt, weil er von einer jungen Studentin umgarnt worden war, aber das konnte nichts Ernsthaftes sein. Auch Susanne meinte das. „Männer sind schwach,“ hatte sie gesagt, „der ist triebgesteuert und wird am Ende dankbar sein, wenn du ihn zurücknimmst, wenn sie sich in zwei Monaten einen Kerl in ihrem Alter gesucht hat.“ Sicherlich hatte sie damit Recht. Jetzt lag es an ihr, sie durfte nur keinen Fehler machen und ihn noch mehr in ihre Arme treiben. Sie musste ihm zeigen, wie toll sie war und alles würde gut werden. Schließlich war es noch gar nicht lange her, dass er sie geheiratet hatte und außerdem hatte er ihr letztens erst gesagt, dass er bald aus Paris zurückkäme und dann würden sie endlich ein Kind bekommen.
Ute fühlte sich fast erleichtert. Endlich hatte sie eine Erklärung für ihr ungutes Bauchgefühl in letzter Zeit, sie wusste, dass sie sich das alles nicht eingebildet hatte und konnte nun wirklich etwas dagegen tun. Und sie war sich sicher, dass sie es schaffen konnte. Gestern Abend hatte sie bereits die Feuertaufe bestanden, als Lars nach Hause gekommen war. Sie hatte fürchterliche Angst gehabt, sie könnte sich nicht zusammenreißen und würde anfangen zu weinen, falls sie irgendeine Spur von dieser Charlotte an ihm entdeckte, aber sie sah nichts und schaffte es, ihn betont gut gelaunt zu empfangen und sie hatten sich einen wirklich netten Abend zusammen gemacht und gemeinsam gekocht. Sie war sich sicher, dass es ihm auch gefallen hatte und das war das Wichtigste. Er musste merken, dass es bei ihr eben doch am schönsten war, dann würde ihm das Bedürfnis vergehen, sich anderweitig umzutun. Sie musste auch dafür sorgen, dass sie mehr Sex hätten, hatte Susanne ihr geraten, damit er zu müde sei, um sich noch anderweitig auszutoben. Ute war sich nicht sicher, ob sie ihn wirklich an seine Belastungsgrenze kriegen konnte, aber sie würde ihr Bestes geben und wollte ihn heute Abend nach allen Regeln der Kunst verführen.

*****

Lotte verbrachte den Sonntag damit, noch ein paar Geschenke aus der Küche in Form von diversen Likören und Plätzchen herzustellen, die sie als Ergänzung zu den Standardgeschenken morgen an ihre Familie verteilen wollte. Morgen in der Früh würde sie zu ihren Eltern fahren, wo sich die ganze Familie treffen würde, um den Heiligen Abend gemeinsam zu feiern. Sie freute sich sehr darauf, fühlte sich aber trotzdem bedrückt, weil sie Lars nicht nahe sein konnte und auch in den Tagen danach kein Treffen möglich sein würde. Er hatte ihr gestern eröffnet, dass er mit Ute am 1. Feiertag zu ihren Eltern nach Trier fahren würde und von dort aus fuhren sie am 2. Feiertag weiter nach Frankreich, um seine Familie in Cambraix zu besuchen. Dort würden sie bis nach Neujahr bleiben, weshalb sie ihn in den nächsten anderthalb Wochen nicht treffen konnte und auch jegliche sonstige Kommunikation sich schwierig gestalten konnte. Es frustrierte Lotte und sie vermisste ihn jetzt schon, auch wenn sie ihr Gespräch gestern nur mittelprächtig zufrieden gestellt hatte. Ihre Differenzen bezüglich Jan hatten sie zwar beilegen können und er hatte ihr ihre Wutmail verziehen, aber sie hatte weiterhin Zweifel, was sein Trennungsversprechen anging und fühlte den Drang sich zu übergeben, wenn sie nur daran dachte, dass er die nächsten Tage einen auf heile Familie machen würde, selbst wenn er behauptete, das kommende Familienidyll wäre der pure Horror für ihn.
Das einzig Gute an der langen Zeit bis zum nächsten Wiedersehen war, dass sie so noch etwas Luft hatte, was sein Weihnachtsgeschenk anging. Ihr war gestern endlich die zündende Idee gekommen, allerdings war es sehr aufwändig, so dass ihr jeder Tag mehr gelegen kam.
Immerhin war die Zeit nach dem Gespräch dafür umso befriedigender verlaufen. Lotte musste grinsen. Für sein Alter konnte Lars wirklich erstaunlich oft nacheinander. Aber das sagte sie ihm besser nicht.
Als sie die nächste Ladung Plätzchen im Ofen hatte, beschloss sie, ihm eine Mail zu schicken. Vielleicht würde sie ihre Sehnsucht damit ein klein wenig beruhigen können.



Betreff: It’s December…
Von: Anne-P.De-Mon@hotmail.de
An: L.Laslandes@koelnmail.de
14:38 23.12.2012

… and I’ll be missing you!



Ach Lars… nicht, dass es letzten Dezember besser gewesen wäre, aber das Lied kam mir trotzdem gerade in den Sinn. Ich werde Dich so vermissen, wenn Du weg bist. Ich habe jetzt schon Albträume von Eurem Familienidyll, wahrscheinlich noch Schlimmere als Du. ;-)

Lars, vergiss mich nicht über die Feiertage, versprech es mir. Ich wünsche mir so sehr, dass wir nächstes Sylvester dann gemeinsam begehen. Meinst Du, das schaffen wir?

Es war so schön mit Dir gestern, ich habe jetzt schon wieder Hunger auf Frühstücksnachtisch… Du auch? Soll ich Dir noch ein Foto schicken zum Abschied?

Darf ich Dir eigentlich SMS schicken, wenn Ihr unterwegs seid, für den Fall, dass Du nicht ins Internet kommst? Oder ist das zu riskant?

Ich vermisse Dich jetzt schon!

Lotte

*****

Lars nutzte die Gelegenheit als Ute mit dem Hund draußen war, um nach seinen Mails zu schauen. Er wollte Charlotte noch schnell etwas schicken, damit sie merkte, dass er an sie dachte, sie schien gestern wirklich große Angst zu haben, er könnte sie über die Weihnachtstage vergessen oder unerwartete Gefühle für Ute entdecken. Wobei Ute sich momentan tatsächlich sehr viel Mühe zu geben schien. Vielleicht war sie aber auch einfach entspannter, weil Ferien waren oder sie im Gegensatz zu ihm ein Freund von Weihnachten war. Wie auch immer, er kostete die Vorzüge ihrer aktuellen Stimmungslage gerne aus. Heute früh hatte sie ihm sogar ins Ohr geflüstert, dass sie ihn heute Abend verführen wolle. Solange sie dabei diesmal auf diese seltsamen roten Strapse verzichtete, würde er es sich gefallen lassen. Er hoffte nur, er war erholt genug nach den gestrigen Spielchen mit Charlotte. Aber Ute würde ihm nicht so viel abverlangen.
Als er seine Mails öffnete, sah er, dass Charlotte ihm bereits geschrieben hatte.



Betreff: RE: It’s December…
16:36 23.12.2012

Liebe Charlotte,
sei unbesorgt, ich werde Dich ganz bestimmt nicht vergessen. Ich war gerade an den Computer zu kommen, um Dir das zu schreiben, aber Du warst mir bereits zuvorgekommen mit Deiner Mail.

Ich hoffe, Du hattest noch einen schönen Tag gestern und hast unser Treffen genauso sehr genossen wie ich. Wahrscheinlich bist Du gerade sehr im Stress in Deiner Hexenküche, aber Deine Pläne klangen grandios, meine kleine Küchenfee.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir den nächsten Jahreswechsel bereits gemeinsam feiern würden, mein liebes Lottchen. Warten wir ab, was die Zeit bringt. Vielleicht willst Du mich dann gar nicht mehr…

Fühl Dich erstmal umarmt, ich melde mich aber ganz sicher noch bei Dir bevor wir abreisen, um Dir frohe Weihnachten zu wünschen!

Dein Lars

PS: Mit einem Foto würdest Du mir natürlich eine große Freude bereiten, wie immer... ;-)

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