Sonntag,
23. Dezember
Susanne
hatte sie gestern davon überzeugen können, dass es taktisch am klügsten wäre,
erst einmal weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Ruhe zu
bewahren. Sie kannte nun ihre Konkurrenz und die Erklärung für wahrscheinlich
so einige Probleme zwischen ihr und Lars in letzter Zeit. Statt ihn zur Rede zu
stellen und sich fadenscheinige Erklärungen anzuhören, würde sie sich ihren
Wissensvorsprung zunutze machen. Wer seinen Feind kennt, kann etwas gegen ihn
tun, so hatte Susanne es formuliert und sie hatte Recht. Ute war nicht bereit,
sich einfach so geschlagen zu geben und Lars kampflos einer anderen Frau zu
überlassen, schon gar nicht dieser Charlotte Holzheim. Sie hätte ihm wahrlich
einen besseren Geschmack zugetraut. Aber nun musste sie das Beste daraus machen
und ihr Wissen nutzen. Es würde ihr zwar schwerfallen, gerade jetzt über
Weihnachten, so zu tun, als ob nichts wäre, aber Susanne hatte sie gestern so lange
geimpft, dass sie sich sicher war, sie konnte es schaffen. Überhaupt fühlte sie
einen Kampfgeist in sich wie noch nie zuvor.
Sie
würde herausfinden, was ihm fehlte, was er bei ihr suchte und es ihm dann
geben, so dass er nur noch sie wollte und nie wieder eine andere. Bestimmt war
es nur ein Abenteuer, sie konnte sich nicht vorstellen, dass Lars sich mit so
einer Person etwas Langfristiges vorstellen konnte, dafür erschien sie ihr zu
vulgär. Sie erinnerte sich noch sehr gut, wie sie ihr einmal begegnet war mit
einer Horde von Fußballfans, sie war sturzbetrunken gewesen und hatten
irgendwelche niveaulosen Fußballlieder gesungen. So eine Frau war mit
Sicherheit nicht Lars‘ Klasse. Nein, was immer er bei ihr suchte, sie würde es
herausfinden und ihm geben und dann würde sein Interesse sehr schnell
verrauchen. Schließlich wollte er eine Familie und kein junges Ding, das vom
Leben keine Ahnung hatte. Vielleicht hatte er sich geschmeichelt gefühlt, weil
er von einer jungen Studentin umgarnt worden war, aber das konnte nichts
Ernsthaftes sein. Auch Susanne meinte das. „Männer sind schwach,“ hatte sie
gesagt, „der ist triebgesteuert und wird am Ende dankbar sein, wenn du ihn
zurücknimmst, wenn sie sich in zwei Monaten einen Kerl in ihrem Alter gesucht
hat.“ Sicherlich hatte sie damit Recht. Jetzt lag es an ihr, sie durfte nur
keinen Fehler machen und ihn noch mehr in ihre Arme treiben. Sie musste ihm
zeigen, wie toll sie war und alles würde gut werden. Schließlich war es noch
gar nicht lange her, dass er sie geheiratet hatte und außerdem hatte er ihr
letztens erst gesagt, dass er bald aus Paris zurückkäme und dann würden sie
endlich ein Kind bekommen.
Ute
fühlte sich fast erleichtert. Endlich hatte sie eine Erklärung für ihr ungutes
Bauchgefühl in letzter Zeit, sie wusste, dass sie sich das alles nicht
eingebildet hatte und konnte nun wirklich etwas dagegen tun. Und sie war sich
sicher, dass sie es schaffen konnte. Gestern Abend hatte sie bereits die
Feuertaufe bestanden, als Lars nach Hause gekommen war. Sie hatte fürchterliche
Angst gehabt, sie könnte sich nicht zusammenreißen und würde anfangen zu
weinen, falls sie irgendeine Spur von dieser Charlotte an ihm entdeckte, aber
sie sah nichts und schaffte es, ihn betont gut gelaunt zu empfangen und sie
hatten sich einen wirklich netten Abend zusammen gemacht und gemeinsam gekocht.
Sie war sich sicher, dass es ihm auch gefallen hatte und das war das
Wichtigste. Er musste merken, dass es bei ihr eben doch am schönsten war, dann
würde ihm das Bedürfnis vergehen, sich anderweitig umzutun. Sie musste auch
dafür sorgen, dass sie mehr Sex hätten, hatte Susanne ihr geraten, damit er zu
müde sei, um sich noch anderweitig auszutoben. Ute war sich nicht sicher, ob
sie ihn wirklich an seine Belastungsgrenze kriegen konnte, aber sie würde ihr
Bestes geben und wollte ihn heute Abend nach allen Regeln der Kunst verführen.
*****
Lotte
verbrachte den Sonntag damit, noch ein paar Geschenke aus der Küche in Form von
diversen Likören und Plätzchen herzustellen, die sie als Ergänzung zu den
Standardgeschenken morgen an ihre Familie verteilen wollte. Morgen in der Früh
würde sie zu ihren Eltern fahren, wo sich die ganze Familie treffen würde, um
den Heiligen Abend gemeinsam zu feiern. Sie freute sich sehr darauf, fühlte
sich aber trotzdem bedrückt, weil sie Lars nicht nahe sein konnte und auch in
den Tagen danach kein Treffen möglich sein würde. Er hatte ihr gestern
eröffnet, dass er mit Ute am 1. Feiertag zu ihren Eltern nach Trier fahren
würde und von dort aus fuhren sie am 2. Feiertag weiter nach Frankreich, um
seine Familie in Cambraix zu besuchen. Dort würden sie bis nach Neujahr
bleiben, weshalb sie ihn in den nächsten anderthalb Wochen nicht treffen konnte
und auch jegliche sonstige Kommunikation sich schwierig gestalten konnte. Es
frustrierte Lotte und sie vermisste ihn jetzt schon, auch wenn sie ihr Gespräch
gestern nur mittelprächtig zufrieden gestellt hatte. Ihre Differenzen bezüglich
Jan hatten sie zwar beilegen können und er hatte ihr ihre Wutmail verziehen,
aber sie hatte weiterhin Zweifel, was sein Trennungsversprechen anging und
fühlte den Drang sich zu übergeben, wenn sie nur daran dachte, dass er die
nächsten Tage einen auf heile Familie machen würde, selbst wenn er behauptete,
das kommende Familienidyll wäre der pure Horror für ihn.
Das
einzig Gute an der langen Zeit bis zum nächsten Wiedersehen war, dass sie so
noch etwas Luft hatte, was sein Weihnachtsgeschenk anging. Ihr war gestern
endlich die zündende Idee gekommen, allerdings war es sehr aufwändig, so dass
ihr jeder Tag mehr gelegen kam.
Immerhin
war die Zeit nach dem Gespräch dafür umso befriedigender verlaufen. Lotte
musste grinsen. Für sein Alter konnte Lars wirklich erstaunlich oft nacheinander.
Aber das sagte sie ihm besser nicht.
Als sie
die nächste Ladung Plätzchen im Ofen hatte, beschloss sie, ihm eine Mail zu
schicken. Vielleicht würde sie ihre Sehnsucht damit ein klein wenig beruhigen
können.
Betreff: It’s December…
Von: Anne-P.De-Mon@hotmail.de
An: L.Laslandes@koelnmail.de
14:38 23.12.2012
Von: Anne-P.De-Mon@hotmail.de
An: L.Laslandes@koelnmail.de
14:38 23.12.2012
… and I’ll be missing you!
Ach Lars…
nicht, dass es letzten Dezember besser gewesen wäre, aber das Lied kam mir
trotzdem gerade in den Sinn. Ich werde Dich so vermissen, wenn Du weg bist. Ich
habe jetzt schon Albträume von Eurem Familienidyll, wahrscheinlich noch
Schlimmere als Du. ;-)
Lars, vergiss
mich nicht über die Feiertage, versprech es mir. Ich wünsche mir so sehr, dass
wir nächstes Sylvester dann gemeinsam begehen. Meinst Du, das schaffen wir?
Es war so schön
mit Dir gestern, ich habe jetzt schon wieder Hunger auf Frühstücksnachtisch… Du
auch? Soll ich Dir noch ein Foto schicken zum Abschied?
Darf ich Dir
eigentlich SMS schicken, wenn Ihr unterwegs seid, für den Fall, dass Du nicht
ins Internet kommst? Oder ist das zu riskant?
Ich vermisse
Dich jetzt schon!
Lotte
*****
Lars
nutzte die Gelegenheit als Ute mit dem Hund draußen war, um nach seinen Mails
zu schauen. Er wollte Charlotte noch schnell etwas schicken, damit sie merkte,
dass er an sie dachte, sie schien gestern wirklich große Angst zu haben, er
könnte sie über die Weihnachtstage vergessen oder unerwartete Gefühle für Ute
entdecken. Wobei Ute sich momentan tatsächlich sehr viel Mühe zu geben schien.
Vielleicht war sie aber auch einfach entspannter, weil Ferien waren oder sie im
Gegensatz zu ihm ein Freund von Weihnachten war. Wie auch immer, er kostete die
Vorzüge ihrer aktuellen Stimmungslage gerne aus. Heute früh hatte sie ihm sogar
ins Ohr geflüstert, dass sie ihn heute Abend verführen wolle. Solange sie dabei
diesmal auf diese seltsamen roten Strapse verzichtete, würde er es sich
gefallen lassen. Er hoffte nur, er war erholt genug nach den gestrigen
Spielchen mit Charlotte. Aber Ute würde ihm nicht so viel abverlangen.
Als er seine Mails öffnete, sah er, dass Charlotte ihm bereits
geschrieben hatte.
Betreff:
RE: It’s December…
16:36
23.12.2012
Liebe
Charlotte,
sei unbesorgt,
ich werde Dich ganz bestimmt nicht vergessen. Ich war gerade an den Computer zu
kommen, um Dir das zu schreiben, aber Du warst mir bereits zuvorgekommen mit
Deiner Mail.
Ich hoffe, Du
hattest noch einen schönen Tag gestern und hast unser Treffen genauso sehr
genossen wie ich. Wahrscheinlich bist Du gerade sehr im Stress in Deiner
Hexenküche, aber Deine Pläne klangen grandios, meine kleine Küchenfee.
Ich würde mich
sehr freuen, wenn wir den nächsten Jahreswechsel bereits gemeinsam feiern
würden, mein liebes Lottchen. Warten wir ab, was die Zeit bringt. Vielleicht
willst Du mich dann gar nicht mehr…
Fühl Dich
erstmal umarmt, ich melde mich aber ganz sicher noch bei Dir bevor wir abreisen,
um Dir frohe Weihnachten zu wünschen!
Dein Lars
PS: Mit einem Foto würdest Du mir natürlich eine große Freude bereiten, wie immer... ;-)
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