Er hatte überlegt, ob es sinnvoller wäre auf der Couch zu schlafen, dann aber beschlossen, dass das einem Schuldeingeständnis gleichkäme und sich dagegen entschieden. Doch als er zum Schlafzimmer kam, hatte Ute ihm die Entscheidung abgenommen. Es war abgeschlossen. Auf seine Frage, ob sie freundlicherweise wenigstens sein Bettzeug herausgeben könnte, erfolgte keinerlei Reaktion. Er hatte sich dann notdürftig mit einer Tagesdecke und dem Sofakissen ein Lager auf der Couch bereitet, was ihm heute früh unerträgliche Nackenschmerzen als Folge beschert hatte. Zusätzlich quälte ihn ein Kater, der wohl der halben Flasche Whiskey geschuldet war, die er benötigt hatte, um überhaupt einschlafen zu können.
Ute hatte ihn wie Luft behandelt und jegliche Versuche mit ihr zu reden komplett ignoriert. Er hatte schließlich aufgegeben und stattdessen beschlossen, die drei Stunden bis zu seiner Abfahrt in seinem Bett zu verbringen, um wenigstens ein bisschen erholsamen Schlaf zu finden, nachdem die Schlafzimmertür augenscheinlich wieder offen war.
Als er das Schlafzimmer betreten hatte, fand er sein Bettzeug auf dem Boden vor, darauf ein Berg Kleidung von ihm, den Ute aus zwei Fächern aus dem Schrank gewischt hatte. Immerhin lag nicht sein kompletter Schrankinhalt draußen, ausziehen musste er also noch nicht, hatte er zynisch gedacht, während er die Bettwäsche unter der Kleidung hervorzog und sich sein Bett wieder einrichtete. Trotzdem war an Schlaf nicht zu denken gewesen, er hatte maximal 20 Minuten gedöst, wenn überhaupt. Dieser Zustand hatte ihn einfach wahnsinnig gemacht und er hatte keine Idee gehabt, wie er mit Ute sprechen sollte. Ganz abgesehen davon, dass sie offensichtlich ohnehin nicht gewillt war, ihm zuzuhören, wusste er nicht, was er ihr hätte sagen sollen. Natürlich hätte er ihr einfach die Wahrheit sagen können und damit auch gleich den ersten Schritt in Sachen Trennung hinter sich gehabt, aber er fühlte sich nicht bereit dafür. Er wollte das ordentlich machen, nicht jetzt und nicht in so einem Zustand. Es sollte dabei nicht um so ein Dummchen wie Franziska gehen, das wäre viel zu demütigend für Ute. Er brauchte irgendeine glaubhafte Erklärung für diese verdammten Kratzer, davon hing alles ab. Wie hatte er nur so dumm sein können sie zu vergessen?
Die Fragen quälten ihn immer noch, während er im Thalys saß und die verschneite Idylle drau´ßen ans sich vorbeirauschen sah.
*****
Als Lars endlich gegangen war, ließ Ute sich auf's Sofa fallen und begann hemmungslos zu weinen. Sie hatte nicht gewollt, dass er noch mehr Tränen von ihr sah und sich bis jetzt eisern zusammengerissen, aber nun war es vorbei. Die Tränen rannen ihr über die Wangen und sie hatte das Gefühl, als würde es überhaupt nicht mehr aufhören. Sie griff nach dem Kissen und drückte ihr Gesicht hinein - es roch so sehr nach ihm, er hatte letzte Nacht darauf geschlafen. Allein diese Feststellung führte bei ihr zu noch mehr Tränen, während sie versuchte, seinen Geruch aufzusaugen, als käme er ihr dadurch wieder näher.
Wie hatte das alles nur passieren können? Das Wochenende war bis zum gestrigen Abend nahezu perfekt gewesen, sie hatten sich richtig gut verstanden und sie hatte sich ihm so nahe gefühlt wie schon lange nicht. Und dann stieg er plötzlich aus der Wanne, nachdem er sie gerade noch geliebt hatte und sie sah diese Kratzer auf seinem Rücken. Es war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Sie hatte das Gefühl gehabt ersticken zu müssen. Für wie blöd hielt er sie, dass er ihr diese Kratzer auch noch so offensichtlich präsentierte? War er etwa stolz darauf? Sie verstand es nicht. Und sie fragte sich die ganze Zeit, wann zum Teufel er Charlotte getroffen haben konnte. Er hatte so wenig alleine unternommen in diesen Tagen, dass sie es fast für unmöglich gehalten hätte. Die einzige plausible Gelegenheit erschien ihr, dass das Treffen am Freitag vorgeschoben gewesen war, aber das konnte nicht sein, schließlich war ihr Charlotte im Park begegnet und demzufolge eindeutig nicht damit beschäftigt gewesen, ihre Krallen in seinen Rücken zu bohren. Aber wann dann? Gestern Vormittag, als sie kurz einkaufen gewesen war oder mit dem Hund draußen? Aber in dieser kurzen Zeit konnte er doch unmöglich bei ihr gewesen sein. Plötzlich hatte sie abermals das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ihr ganzer Körper bebte, so sehr schluchzte sie. War am Ende Charlotte hier gewesen und sie hatten es in ihrem Ehebett getrieben? Der Gedanke traf sie wie ein Schlag. Es schien ihr die einzig plausible Lösung zu sein.
Blind vor Tränen stürmte sie ins Schlafzimmer, riss die gesamte Bettwäsche herunter und stopfte sie in die Waschmaschine. Bevor sie das Bett neu bezog, nebelte sie die Matratze mit Desinfektionsspray ein. Es war ihr völlig egal, wie sehr das Bett am Ende danach stinken würde, alles war besser als der Geruch von Lars und diesem Flittchen.
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