Sonntag, 27. Januar 2013

Tatorte - 25. - 27. Januar 2013

Zufrieden lag Lars im Bett und betrachtete Charlotte, wie sie in Unterwäsche durch die Wohnung huschte und etwas Knabberzeug in ein Schüsselchen abfüllte und anschließend erstaunlich gekonnt eine Flasche edlen Rotwein entkorkte. Vielleicht wäre dies eigentlich seine Aufgabe gewesen als Mann, aber er genoss den Anblick viel zu sehr, um in irgendeiner Form aktiv an dieser Szenerie teilhaben zu wollen. Das, was er gerade sah, konnte keinesfalls vom neuen Tatort gleich im Fernsehen übertroffen werden. Sie war so wunderschön und irgendwie so unschuldig dabei. Sie ahnte überhaupt nicht, wie wundervoll sie gerade aussah, in ihrer dunkelroten Unterwäsche auf ihrer Schneewittchenhaut und dazu die dunklen Locken, die wild in alle Richtungen abstanden. Sie würde wahrscheinlich fluchen, wenn sie sie sich bewusst wäre, dass ihre Schminke völlig verschmiert war von ihrem wilden Genutsche eben, aber er fand, gerade der verschmierte Lippenstift machte den Anblick erst perfekt. Er hätte sie aufessen können, als sie da stand und die Flasche entkorkte. Diese leichte Anstrengung in ihren Zügen, als der Korken ein wenig klemmte und die Anspannung in ihren Muskeln, ihr Busen hatte so gleich noch viel prächtiger gewirkt. Er hätte ihr ewig zusehen können, aber leider hatte sie den Korken dann doch recht fix heraus gehabt. Nun kam sie mit einem Tablett mit zwei Weingläsern und dem Schüsselchen mit Knabberzeug zum Bett getänzelt und würde gleich mit ihm zusammen den Tatort genießen. Insgeheim hoffte er, dass der Tatort schlecht war, damit sie sich anderen Dingen zuwenden konnten, sie war so oder so aufregender als jeder Krimi. Aber sie wollte den Tatort unbedingt sehen, weil ein neuer Kommissar seinen ersten Einsatz hatte und er hatte ihr das nicht verderben wollen. Im Notfall würde er einfach sie ansehen, falls ihn der Krimi langweilte. 
Wenn er darüber nachdachte, konnte er es sowieso kaum fassen, gerade neben ihr zu liegen. Aber er hatte es tatsächlich durchgezogen und sich dieses Wochenende "die volle Lotte gegönnt", wie sie es genannt hatte. Ute wähnte ihn seit heute Morgen in Paris, er hatte behauptet, einen Vormittagszug zu nehmen. Das tat er auch, allerdings erst morgen. Statt zum Bahnhof war er in die Bahn zu Charlotte gestiegen. Eigentlich hatte er Charlotte nur am Samstag sehen wollen, aber als sie sich getroffen hatten, hatte sie ihm Druck gemacht und an die Idee dieses Treffens erinnert und schließlich hatte er sich darauf eingelassen. Seine Sehnsucht war zu groß gewesen, während er andererseits nicht das Gefühl hatte, bei Ute irgendetwas zu verpassen. Außerdem kam er Charlotte so entgegen und entspannte die Situation damit. Sie merkte, dass es ihm ernst war und er sie nicht nur hinhalten wollte. Es war wichtig, dass er ihr das zeigte, sie war am Samstag anfangs doch ein wenig kratzbürstig gewesen, was das anging, weil er auf Fragen nach der Trennung von Ute immer nur ausweichend geantwortet hatte. Glücklicherweise hatten sie nicht allzuviel Zeit gehabt, diese Thematik auszudiskutieren, da die Zeit von Utes Abwesenheit begrenzt war und er Charlotte schnell davon überzeugt hatte, dass man sie sinnvoller nutzen konnte. Dafür hatte er ihr versprechen müssen, dass sie dieses Thema heute noch einmal ausdiskutieren würden, aber bisher hatte sie glücklicherweise noch nicht damit angefangen und er würde es ganz bestimmt nicht tun. 
Am Samstag hatten sie dann statt der Diskussion die absolute Todsünde begangen und er hatte mit einer anderen Frau in seinem Ehebett geschlafen. Charlotte war die Erste, der diese Ehre zuteil wurde, allerdings hätte er seine anderen Affären auch niemals mit in seine eigenen vier Wände gebracht. Sie hatte tatsächlich Hemmungen gehabt, es im Ehebett zu treiben, was seiner Meinung nach für sie sprach, und er hatte es sogar verstehen können. Also hatte er sie zuerst auf seinen Schreibtisch gesetzt und da genommen, back to the roots, sozusagen. Da dieser Aktion jedoch neben seinem Tacker, den sie vom Tisch gefegt hatten, auch einer ihrer halterlosen Strümpfe zum Opfer gefallen war, in den sich eine Heftklammer verbohrt und zu einer Laufmasche geführt hatte, hatte er sie beim zweiten Mal doch mehr oder weniger widerstandslos auf's Bett werfen können, nachdem er geschworen hatte, dass sie sich auf seine Seite beschränken würden. Es hatte ihn selbst erschreckt, dass er nicht den Hauch eines schlechten Gewissens dabei verspürte, als er in sie eindrang, während er einen kurzen Moment sogar auf das Hochzeitsfoto auf Utes Nachttisch blickte. Im Gegenteil, sein einziger Gedanke in diesem Moment war die Freude, dass nicht sie, sondern Charlotte gerade unter ihm lag.
Als Charlotte danach doch recht eilig aufbrechen wollte, weil sie sich nicht wohlfühlte und meinte, der Geist von Ute schwebe über allem und sie könne es nicht ertragen, sie sollten das alles lieber am nächsten Tag fortsetzen in ihrer Wohnung, hatte er immerhin kurzfristig ein schlechtes Gewissen verspürt, dass Charlotte ganz offensichtlich ein schlechteres Gewissen gegenüber Ute hatte als er.

Die Geburtstagsparty am Samstagabend war auch glimpflich verlaufen, Franziska war nicht anwesend gewesen. Wahrscheinlich hatte so ein junges Ding an einem Samstagabend etwas Besseres zu tun als eine Geburtstagsfeier im Golfclub zu besuchen von jemandem, der zwanzig Jahre älter war als sie selbst. Auch sonst hatte keiner die Ereignisse der letzten Woche angesprochen und er und Ute hatten sich soweit gut verstanden. Oder besser gesagt, sie hatten sich beide gut amüsiert, jeder auf seine Weise. Er hatte sich mit seinen Freunden unterhalten, sie sich mit ihren Freundinnen. Aber sie hatten beide Spaß und einen schönen Abend gehabt und das war es doch, was am Ende zählte. Franziska hatte sich, seit er in Köln war auch nicht mehr gemeldet, so dass er eine leise Hoffnung hegte, sie habe es doch verstanden und würde ihn in Frieden lassen.

Erst als Charlotte ihm einen Cracker in den Mund schob, dessen anderes Ende zwischen ihren Lippen hing, merkte er, dass seine Gedanken abgeschweift waren und er den Anfang des Tatorts völlig verpasst hatte. Nach dem Cracker küsste sie ihn leidenschaftlich und er konnte das Salz auf ihren Lippen schmecken. Danach murmelte er, er habe gar nichts vom Tatort mitbekommen bisher und sie grinste nur und schaltete ab.
"Aber der lief doch erst eine Viertelstunde?!"
"Eine Viertelstunde zuviel. Der neue Kommissar ist wie Hape Kerkeling on dope, da hole ich mir lieber andere Drogen."
Sie stellte das Weinglas auf der Bettkannte ab und setzte sich auf ihn. "Zeit für die Leibesvisitation. Sie sind übrigens verhaftet!"

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