Dienstag, 15. Januar 2013

Warten auf Godot - Montag, 14. Januar 2013

Lars war unendlich erleichtert gewesen, als er gestern Nachmittag endlich Richtung Paris hatte aufbrechen können. Ute war tatsächlich nicht auf ihn zugekommen und da er auch nicht bereit gewesen war, den ersten Schritt zu machen, hatten sie den ganzen Tag kaum ein Wort miteinander gewechselt. Zum Abschied hatte er lediglich Tschüss gesagt und sie hatte kaum den Blick von ihrem Buch gehoben, als sie seinen Gruß erwiderte. Abends hatte er eine kurze SMS geschickt, dass er gut angekommen war nur ein "OK" als Antwort erhalten. Es war ihm fast schon gleichgültig gewesen, auch wenn ihn die Gesamtsituation keineswegs kalt ließ. Er hatte das schlechte Gefühl, am Vorabend endgültig zu weit gegangen zu sein. Dieses Gefühl und die Ahnung, dass es nicht ohne Folgen bleiben würde, hatte sich heute Morgen bestätigt, als er eine SMS von Franziska auf seinem Handy gefunden hatte.

Wann sehen wir uns wieder?

Mehr hatte sie nicht geschrieben, doch das Konfliktpotenzial, das diese fünf Worte bargen, war ihm durchaus bewusst. Die Antwort lautete nämlich, dass er sie nicht wiedersehen wollte, allerdings fürchtete er ihre Reaktion auf diese Abfuhr. Er hatte den ganzen Tag überlegt, wie er es ihr am besten vermitteln sollte, ob er sie anrufen, sich mit ihr treffen und reden oder doch nur eine SMS schicken sollte. Am Ende hatte er sich für eine Email entschieden. Eine SMS wäre zu knapp, einen Anruf aus Frankreich war es ihm nicht wert und das Risiko eines Treffens wollte er nicht eingehen. Insofern erschien ihm eine Mail die beste Alternative zu sein.



Betreff: Pardon!
Von: L.Laslandes@koelnmail.de
 
An: Franzilein@koelnmail.de
17:58 14.01.2013
 
Liebe Franzi,
 
ich dachte mir, ich schreibe Dir lieber eine Mail, so kann ich mich ein wenig ausführlicher erklären, eine SMS wäre da möglicherweise nicht ganz angemessen.
 
Ich wollte Dich wissen lassen, dass es mir leid tut, falls am Samstag ein falscher Eindruck entstanden ist. Wir können uns nicht wiedersehen, jedenfalls nicht über die normalen Begegnungen im Golfclub hinaus. Wie Du weißt, bin ich verheiratet und insofern sollten Treffen mit anderen Frauen nicht stattfinden, jedenfalls nicht in der Form, wie Du es anstrebst. Was am Samstag passiert ist, war dem Alkohol geschuldet und es hätte nicht passieren dürfen, das weißt Du genauso gut wie ich. Insofern sollten wir es einfach vergessen und den Mantel des Schweigens darüber ausbreiten, auch, um die Atmosphäre im Golfclub nicht mit einer solchen Dummheit zu belasten. Franzi, ich bin mir sicher, Du bist ein intelligentes und anständiges Mädchen und verstehst, dass dies der beste Weg ist.
 
Ich bin mir sicher, Du wirst viele Männer finden, die Deine Qualitäten (und die hast Du zweifellos!) zu schätzen wissen und mit denen Du viel mehr Spaß haben kannst, als mit einem verheirateten Mann wie mir. Ich drücke Dir ganz fest die Daumen, dass bald der Richtige dabei ist und dann werde ich ihn hoffentlich im Golfclub kennenlernen.
 
Insofern, um des lieben Friedens und der Vernunft Willen, lass uns den Samstag Abend vergessen. Ein Wiedersehen in dieser Form ist ausgeschlossen. Aber wir werden sicherlich weiterhin einen freundschaftlichen Umgang im Golfclub miteinander pflegen können.
 
Alles Gute
 
Lars
 
 
Lars konnte nur hoffen, dass sie sich wirklich darauf einlassen und schweigen würde, ansonsten würde der Skandal im Golfclub möglicherweise groß sein und er konnte gerade beim besten Willen nicht noch mehr Stress gebrauchen.
Er überlegte, was er mit dem restlichen Abend anfangen sollte. Ute hatte sich den ganzen Tag noch nicht bei ihm gemeldet und er hatte auch keinen Nerv, sich bei ihr zu melden. Er fühlte sich ratlos und wusste nicht, was er ihr hätte sagen sollen, wenn er sie anrufen würde. Das war eigentlich das Problem, nicht, dass er nicht mit ihr reden wollte. Aber ihm fehlten die Worte. Es tat ihm leid, aber er konnte es ihr nicht sagen, das wäre ein Schuldeingeständnis. Sie hätte auf ihn zukommen sollen, aber ganz offensichtlich tat sie es nicht. Er hoffte, sie würde sich an diesem Abend noch melden, wenigstens mit einer SMS. Diese Situation belastete ihn und er brauchte eine Lösung, um sich Gedanken über Charlotte machen zu können. Alles war so absurd, er hatte tatsächlich das Gefühl, ein wenig die Kontrolle verloren zu haben. Er beschloss, den Abend mit einer Flasche Rotwein alleine in seiner Wohnung zu verbringen. Wenn er rausgehen würde, würde er sich am Ende nur noch ein weiteres Problem einfangen...
 
*****
 
Ute fühlte sich unglaublich schlecht. Lars hatte sich den ganzen Tag nicht gemeldet, dabei hatte sie sowohl das Telefon als auch ihr Handy nicht aus den Augen gelassen und so sehr auf eine Entschuldigung oder wenigstens irgendein Zeichen gehofft. Sie vermisste ihn trotz allem so sehr, sie konnte Konfliktsituationen immer nur schwer ertragen und war deswegen meist schnell bereit, auf den anderen zuzugehen, auch wenn dieser eigentlich der Schuldige war. Aber Susanne hatte ihr eingetrichtert, dass sie diesmal nicht auf Lars zugehen dürfe, sondern abwarten müsse, bis er sich melde. Ansonsten würde sich nie etwas ändern und er sei sich ihrer sowieso zu sicher, das habe er mit seinen Aktionen am Wochenende doch zur Genüge bewiesen. Warum sie ihn überhaupt noch haben wolle, hatte Susanne sie gefragt. Ute wusste, dass diese Frage nicht unberechtigt war, aber sie liebte ihn so sehr. Sie wusste nicht, was gerade mit ihm los war, dass er sich so seltsam verhielt, aber er war nicht so ein schlechter Charakter, wie es gerade wirkte, das hatte sie Susanne versichert. Vielleicht hatte er gerade irgendeine Krise und dies war seine Art Frust abzulassen. Sie wollte doch nur, dass alles wieder gut würde.
Als Lars sich abends immer noch nicht gemeldet hatte, beschloss sie, ihm wenigstens eine kurze SMS zu schicken. Sie würde nicht einschlafen können, wenn sie den ganzen Tag nichts von ihm gehört hatte und wenn sie ihm nur ein Warum?  per SMS schickte, ging sie damit nicht zu sehr auf ihn zu, befand sie.
Sie erhielt eine Empfangsbestätigung, aber keine Antwort, bis sie gegen Mitternacht endlich einschlief. Vielleicht hatte er ja bereits geschlafen...

*****

Ein weiterer Tag war vergangen. Ein weiterer Tag, an dem Lars sich nicht bei ihr gemeldet hatte. Lotte merkte, dass sie langsam aber sicher unruhig wurde. An diesem Abend hatte sie sich nur sehr knapp beherrschen können, ihm nicht wenigstens eine kurze Mail zu schicken. Für morgen Abend würde sie Ablenkung brauchen, ansonsten würde sie ihm schreiben und das wäre nicht gut. Sie überlegte, was sie tun könnte, dann nahm sie ihr Handy und begann, eine SMS an Jan zu schreiben.

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