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Selten in seinem Leben hatte Lars sich so ratlos gefühlt. Es war alles wie ein Albtraum und er wartete sehnsüchtig darauf, dass er erwachte oder Ute ihm sagen würde, es wäre alles nur ein dummer Scherz gewesen. Aber natürlich war es das nicht. Er wurde Vater. Er konnte es immer noch nicht glauben. Er fühlte sich nicht bereit dafür, jedenfalls nicht unter diesen Bedingungen. Wäre die Trennung von Ute gelungen und Charlotte hätte ihm in ein paar Monaten die Nachricht einer Schwangerschaft überbracht, hätte er sicherlich damit leben können. Ja, mit Charlotte konnte er sich eine kleine Familie vorstellen, aber nicht mit Ute. Er war völlig ratlos und wusste nicht, was er tun sollte. Sein Gefühl sagte ihm, dass das alles keinen Sinn hatte und er die Trennung durchziehen musste. Wenn das Kind von Anfang an ohne einen Vater zu Hause groß wurde, würde ihm gar nicht soviel fehlen. Es wäre normal, dass der Vater nur am Wochenende zur Verfügung stand. Er war sich sicher, wenn ein Kind es nicht anders kannte, wäre es gar nicht so wild. Utes Eltern würden sie mit Sicherheit unterstützen und ansonsten würde er natürlich auch kräftig zahlen für eine Tagesmutter oder was auch immer. Seinem Nachwuchs sollte es an nichts fehlen, er wollte nicht, dass das Kind unter der Situation litt.
Das Problem war, dass das Kind litt, wenn die Mutter während der Schwangerschaft litt, das hatte Peter ihm ziemlich deutlich gemacht, als er sich bei ihm ausgeheult hatte. Wenn er Ute verlassen würde, würde sie zweifellos leiden und das würde dem ungeborenen Kind schaden. Er dachte daran, wie labil Ute war. Er konnte sich jetzt nicht trennen, während sie schwanger war, es ging einfach nicht. Wenn sie das Kind verlieren würde, würde er es sich niemals verzeihen. So weit ging selbst der Egoismus eines Lars Laslandes nicht.
Doch wie sollte er es Charlotte beibringen? Er musste sich sowieso dringend bei ihr melden, fiel ihm gerade auf. Er hatte versprochen gehabt, sich am Samstag bei ihr zu melden, sobald die Trennung vollbracht war und nun war es Montagabend und er hatte sich immer noch nicht gemeldet. Aber was sollte er ihr sagen? Wie sagte man jemandem so etwas? Er konnte ihr das unmöglich per Mail mitteilen. Aber sie anzurufen und es ihr am Telefon beizubringen, erschien ihm auch nicht viel angemessener. Nein, er musste es ihr persönlich sagen. Aber das ging erst, wenn er wieder zurück in Köln war und bis dahin waren es noch ein paar Tage. Er musste sich auf jeden Fall vorher bei ihr melden. Aber was zum Teufel sollte er sagen? Es konnte nur schiefgehen. Er wusste doch selbst nicht, wie es weitergehen sollte und genau das, würde sie von ihm wissen wollen. Er wollte sie nicht verlieren. Aber sie würde sich hingehalten fühlen. Er war sich sicher, dass sie ausrasten würde, wenn er ihr sagte, dass er erstmal bei Ute bleiben musste, solange sie schwanger war.
Warum hatte das überhaupt passieren müssen? So viele Menschen wünschten sich Kinder und wurden nicht schwanger, warum musste Gott dann ausgerechnet ihnen ein Kind schenken, wo sie es gar nicht haben wollten? Peter hatte damals, als seine Freundin von einem anderen Kerl schwanger geworden war und sich von ihm getrennt hatte gesagt, er fühle sich vom Leben gefickt. Lars glaubte nun ungefähr zu wissen, wie es sich anfühlte.
Betreff:
Von: L.Laslandes@koelnmail.de
19:14 04.02.2013
An: Anne-P.De-Mon@hotmail.de
Liebe Charlotte,
es tut mir unendlich leid, dass ich mich jetzt erst melde. Du wirst ahnen, dass es dafür einen Grund gibt, der nicht besonders erfreulich ist.
Charlotte, ich möchte das alles persönlich mit Dir besprechen, am Telefon oder gar per Mail wäre es nicht angemessen. Bitte sag mir, wann wir uns sehen können, ich bin ab Donnerstag Abend in Köln und nehme mir die Zeit, wann immer Du es einrichten kannst. Ich weiß, es ist Karneval und es wird dadurch nicht einfacher werden. Ich möchte Dir auch gar nichts verderben, aber bitte, gib mir die Chance, dass wir alles persönlich klären und stell mir bitte vorher keine Fragen, auf die ich zum jetzigen Zeitpunkt selbst keine Antworten kenne.
Mir ist bewusst, wie das jetzt alles auf Dich wirken muss, aber es ist nicht so. Vertrau mir und gib mir die Chance, es persönlich mit Dir zu besprechen.
Kuss
Lars
Unzufrieden las Lars die Mail noch einmal durch. Er konnte nicht die richtigen Worte finden, aber wahrscheinlich gab es sie auch gar nicht. Er konnte nur hoffen, dass Charlotte sich darauf einließ.
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