Sonntag, 31. März 2013

Widerlich - Sonntag, 17. Februar 2013

Charlotte hatte in den letzten Tagen alles getan, um sich von der Situation mit Lars abzulenken. Am liebsten wollte sie ihn einfach nur vergessen und aus ihrem Leben streichen. Der Gedanke, dass Ute ein Kind von ihm erwartete, war für sie unerträglich. Für sie stand fest, dass die Sache mit Lars damit beendet war. Sie hatte nie einen Mann gewollt, der verheiratet war, hatte sich dann aber doch darauf eingelassen. Aber nun, wo er auch noch Vater wurde, war eine Grenze für sie überschritten, die nicht mehr fallen würde. Sie hätte nicht mehr in den Spiegel schauen können, wenn sie weiter eine Affäre mit Lars hätte, während Ute schwanger zu Hause hockte oder gar, wenn das Kind erst da war und die wenige Zeit, die sein Vater ohnehin nur für es haben würde, dann auch noch mit seiner Geliebten verbringen würde. Nein, das wollte sie nicht. Sie musste ihn schnellstmöglich vergessen, auch wenn es noch so weh tat.
Dieses Vergessen wäre ihr wohl wesentlich leichter gefallen, wenn sie rausgehen und feiern hätte gehen können, aber als Doro sie gestern Abend gefragt hatte, ob sie gemeinsam die Stadt unsicher machen sollten, hatte sie ablehnen müssen, da ihr Auge zwar schon wesentlich besser, aber immer noch extrem unansehnlich war. Doro hatte gemeint, sie solle es mit Camouflage überschminken und endlich das Haus verlassen, aber ihr war nicht danach gewesen. In zwei oder drei Tagen würde sie sich sicherlich wieder zeigen können, auch ohne Camouflage, aber bis dahin würde sie das Haus nur verlassen, wenn es unbedingt nötig war. Die Spaziergänge mit Schröder absolvierte sie immer früh morgens und spät abends, es ging alles. Sie hatte sich inzwischen ganz gut mit der Situation arrangiert und das würde sie auch mit Lars tun. Es brauchte eben seine Zeit, aber dann würde sie ihn vergessen haben und er würde ihr egal sein.
Gestern Abend war sie leider nicht besonders erfolgreich gewesen. Eigentlich hatte sie alle seine Mails löschen wollen als ersten Schritt, aber stattdessen hatte sie sie eine nach der anderen gelesen und dabei geheult wie ein Schlosshund.
Nun besann sie sich eines Besseren und ging an den Rechner, um die Mails wirklich endgültig zu löschen. Gerade, als sie alle gelöscht hatte, ploppte eine neue Mail von Lars auf. Sie überlegte kurz, sie einfach ungelesen zu löschen, aber die Neugier siegte und so öffnete sie sie.


Betreff: Bitte nicht löschen!
Von: L.Laslandes@koelnmail.de
 
An: Anne-P.De-Mon@hotmail.de
12:21 17.02.2013

Liebe Charlotte,

ich hoffe, Du löschst diese Mail nicht einfach ungelesen. Bitte, tu mir den Gefallen und lies sie bis zum Ende!

Charlotte, ich möchte uns unter gar keinen Umständen aufgeben. Ich habe mit Ute gesprochen und ihr gesagt, dass ich vorerst bei ihr bleibe während der Schwangerschaft, aber dass ich mich unter keinen Umständen einengen lasse und weiter meine Freiheiten brauche, sogar noch mehr. Wir können uns sehen, Charlotte. Wir sehen uns weiter und sobald das Kind da ist, trenne ich mich von ihr. Ich merke, dass es keinen Sinn hat, ich kann diese Frau kaum ertragen um mich herum. Ich empfinde nichts mehr für sie, absolut gar nichts. Sie kommt mir vor, wie ein unausweichlicher Fremdkörper in meinem zu Hause, der ein Stück von mir geklaut hat, damit ich nicht weg kann. Bitte Charlotte, gib uns die Chance und warte auf mich! Wir können uns doch auch sehen während der Zeit bis zur Trennung. Die Schwangerschaft muss uns kaum beeinträchtigen. Ich habe Ute auch klargemacht, dass ich möglichst wenig davon mitbekommen möchte und sie bloß nicht zum Muttertier mutieren soll.
Wenn ich nicht viel davon mitbekomme, besteht auch keine Gefahr, dass ich mich irgendwie einlullen lasse, nur weil sie schwanger ist.

Bitte Charlotte, lass uns in Kontakt bleiben!

Lars


Lotte löschte die Mail. Sie war angewidert. Wahrscheinlich bildete er sich ein, sie würde sich geschmeichelt fühlen oder es kaum abwarten können, sich wieder mit ihm zu treffen. Was bildete er sich ein? Wie konnte er so über Ute und sein Kind sprechen? Er war ein gefühlskaltes, egoistisches Arschloch. Wer wusste, wie er sich verhalten würde, sollte sie eines Tages schwanger sein. Ute hatte er auch die große Liebe vorgegaukelt. Wahrscheinlich wäre es ihr genauso ergangen, hätte sie sich auf ihn eingelassen. Wer wusste, was ihr erspart geblieben war durch Utes Schwangerschaft. Nur sie konnte einem wahrlich leid tun. Sie hoffte, dass Lars doch noch irgendwann Vatergefühle entwickeln würde, damit wenigstens das Kind nicht so leiden musste wie seine Mutter.

Spontan öffnete sie das Fenster zum Emailschreiben. 



Betreff: Egoistisches Arschloch!
Von: Anne-P.De-Mon@hotmail.de  
An: L.Laslandes@koelnmail.de 
12:40 17.02.2013
 
Wie kann man nur so etwas von sich geben?! Du bist widerlich!!!

Mittwoch, 27. März 2013

Es wird sich finden - Samstag, 16. Februar 2013

Ute wusste selbst nicht, wie sie es geschafft hatte, aber irgendwie hatte sie sich nach der Schocknachricht gestern rechtzeitig wieder gefangen, bis Lars am Abend gekommen war.
Sie hatte bei ihrer Ärztin einen fürchterlichen Weinkrampf bekommen, woraufhin diese natürlich gedacht hatte, er sei primär ihrer Angst bezüglich der Zyste geschuldet. Sie hatte versucht, sie zu beruhigen und ihr erklärt, dass sie vermutlich keine schlimmen gesundheitlichen Konsequenzen haben werde, aber schnellstmöglich entfernt werden solle, auch wenn sie davon ausging, dass sie gutartig wäre. Eine spätere Schwangerschaft würde die Zyste bestimmt nicht negativ beeinflussen oder gar ausschließen, hatte die Ärztin sie beruhigt. Nun hatte sie also für den kommenden Mittwoch einen Termin im Krankenhaus, um die Zyste entfernen zu lassen.
Sie hatte ab dem Moment, wo die Ärztin gesagt hatte, einer Schwangerschaft würde nach der Entfernung nichts im Wege stehen, überhaupt keine Sorgen mehr gehabt wegen der Zyste. Das Problem war ein ganz anderes - was in aller Welt sollte sie Lars erzählen? Aber das hatte sie der Ärztin ja schlecht sagen können. Hinzu kam die maßlose Enttäuschung, doch nicht schwanger zu sein und vorallem, die Angst, ihn nun endgültig zu verlieren. Trotz allem hatte sie einen kühlen Kopf bewahren müssen. Sie hatte nicht gewusst, wann er genau kommen würde, aber sie wusste sicher, dass sie sich bis dahin beruhigt haben musste und sich gut überlegen musste, was sie ihm erzählen würde. Wahrscheinlich kam er direkt von dieser verdammten Charlotte, da durfte sie erst recht keinen Fehler machen.
Sie hatte nicht viel Zeit gehabt um zu überlegen, was sie nun tun sollte und war deswegen zu dem Entschluss gekommen, dass sie ihm notfalls später immer noch erzählen konnte, dass sie nicht schwanger war - aber nicht an diesem Abend. So hielt sie sich alle Möglichkeiten offen und möglicherweise bestand ja sogar eine Chance, dass sie noch rechzeitig doch noch schwanger wurde. Das musste sich alles finden. Vorerst galt es, ihn zu halten.

Es war besser gelaufen, als sie erwartet hatte. Er war erst gegen 18 Uhr gekommen, so dass sie genügend Zeit gehabt hatte, um sich ein wenig zu beruhigen. Tatsächlich hatte sie dies mit Hilfe von zwei Gläsern Wodka getan. Da sie nicht schwanger war, hatte sie ihn ja nun bedenkenlos trinken können und da Wodka nicht roch, bestand auch keine Gefahr, dass Lars es hätte merken können. Tatsächlich hatte er ihr richtig gut getan und sie beruhigt. Vielleicht hatte sie sich auch ein klein bisschen Mut angetrunken...

Die Stimmung zwischen ihnen war seltsam gewesen. Sie konnte gar nicht recht sagen, womit sie gerechnet hatte, wie Lars sich verhalten würde, aber sie war überrascht gewesen. Er hatte doch sehr mitgenommen gewirkt und anscheinend belastete ihn ihre Krise mehr, als sie ihm zugetraut hatte. Zur Begrüßung hatte er sie kurz in den Arm genommen, aber dabei sehr distanziert gewirkt. Am liebsten hätte sie sich an ihn geklammert und in seinen Armen verharrt, aber sie wusste, dass es falsch gewesen wäre, also hatte sie das Spiel mitgespielt und abgewartet.Glücklicherweise hatte er gar nicht viel gefragt - manchmal war seine Egozentrik auch hilfreich. Hätte er nachgehakt, wie es ihr oder dem Kind gehe, hätte sie womöglich weinen müssen. Stattdessen redete er sofort los und teilte ihr mit, dass er sich Gedanken gemacht habe und zu seiner Verantwortung stehen wolle und nun läge es an ihnen beiden, aus der Sache das Beste zu machen und einen Weg aus der Krise zu finden. Sie hatte nur selig genickt - das war mehr gewesen, als sie sich erhofft hatte. Doch dann hatte er weitergesprochen und ihr erklärt, sie dürfe nicht zu viel erwarten von ihm, er müsse sich erst langsam in die Situation hineinfinden und sei nicht bereit, seine Freiheiten aufzugeben. Sie hatte kurz auf der Zunge gehabt, ihn zu fragen, ob Charlotte auch zu diesen Freiheiten zählte, wollte aber keinen Streit vom Zaun brechen und hatte geschwiegen. Alles würde sich fügen. Vielleicht hatte er es ihr noch nicht gesagt, aber er würde es tun und dann würde sie ohnehin nichts mehr von ihm wissen wollen, da war sie sich sicher. Sie musste nur dafür sorgen, dass er es ihr bald sagte - bevor er merkte, dass sie gar nicht schwanger war, falls sie es nicht rechtzeitig wurde. Oder bevor sie vortäuschen musste, das Kind zu verlieren. Aber nach solch einem Schicksalsschlag würde er sie auch nicht verlassen und vielleicht hatte er bis dahin bereits solche Vatergefühle entwickelt, dass er es möglichst schnell wieder probieren wollte.
Wobei, nach seiner Aussage gestern, er habe nur eine Bitte an sie, sie solle nun bloß nicht zum Muttertier werden und ihn "mit Schwangerschaftskram volllabern", sonst könne er sie nicht mehr ertragen, war damit nicht zu rechnen. Er war so unglaublich unsensibel. Wäre sie wirklich schwanger gewesen, hätte sie ihn wohl gehasst für diese Aussage. Aber in der momentanen Situation kam es ihr mehr als entgegen, dass er möglichst wenig von ihrer Schwangerschaft mitbekommen wollte. Ganz sicher würde sich das ändern. Er musste nur erst alles verdauen. Es war ja schon besser geworden. Immerhin hatte er sich für sie entschieden.

Glücklich blickte sie neben sich, wo er endlich wieder im Ehebett lag und noch schlief. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht. Sie fragte sich, ob er wohl gerade von ihr träumte.

*****

Lars saß an seinem Schreibtisch und versuchte zu arbeiten. Er konnte sich nicht konzentrieren. Statt an seiner Veröffentlichung zu schreiben, verspürte er immer wieder den Drang, eine Mail an Charlotte zu tippen. Er wollte ihr berichten, wie es gestern gewesen war mit Ute und ihr sagen, wie sehr er sie vermisste. Aber er war sich sicher, er würde auf taube Ohren stoßen. 
Er fragte sich, ob Charlotte sein Verhalten gegenüber Ute gestern gutgeheißen hätte. Er hatte sofort seine Position klargemacht und sie war passiv und  zurückhaltend wie immer gewesen im Gespräch. Er glaubte im Nachhinein, dass sie einfach nur froh war, ihn vorerst nicht verloren zu haben und ihr deswegen alles andere egal war. Vermutlich hätte sie auch abgenickt, wenn er ihr erklärt hätte, dass er bei ihr blieb, aber drei Mal pro Woche ins Bordell gehen wolle. Auf jeden Fall hatte sie alles abgenickt und schien sich auch daran halten zu wollen, ihn nicht zu sehr mit den Details der Schwangerschaft zu nerven. Er hatte ihr recht deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ansonsten unattraktiv für ihn würde, das schien gezogen zu haben.
Vielleicht konnte er wenigstens noch das Beste aus dieser beschissenen Situation machen, indem hier in Zukunft alles noch mehr nach seiner Pfeife tanzte. Wenn er es richtig anstellte, würde Ute sich mit allen Mitteln ins Zeug legen, es ihm so angenehm wie möglich zu machen, weil sie Angst haben würde, ihn sonst zu verlieren.
Es musste sich alles finden, aber vielleicht konnte er diese knapp neun Monate herumbringen, ohne allzu viele eheliche Verpflichtungen zu haben und sein neues Leben mit Charlotte, das danach beginnen sollte, doch schon parallel vorbereiten. Denn er würde um sie kämpfen, er wusste nur noch nicht, wie. Aber ihr Treffen am Donnerstag war nicht das Ende. Niemals.

Donnerstag, 21. März 2013

Schwarzer Freitag - Freitag, 15. Februar 2013

Das Telefon klingelte. Mühsam realisierte Lars, dass er im Hotel war und es sich beim Klingeln des Telefons um den Weckservice handelte. Er nahm den Hörer ab und ließ ihn wieder auf die Gabel fallen. Was für eine Nacht. Bis 4 Uhr morgens hatte er an der Hotelbar durchgezecht, dann war er dem freundlichen, aber bestimmten Hinweis des Barkeepers gefolgt, dass es an der Zeit sei, ins Bett zu gehen. Er war der letzte Gast gewesen und hatte dem Mann sein Leid geklagt. Wie erbärmlich eigentlich. Trotzdem hatte es ihm in diesem Moment gut getan. Als er auf seinem Zimmer war, hatte er sein Handy genommen und bei Charlotte angerufen. Er hatte ihr sagen wollen, wie sehr er sie liebte und dass er sie vermisste. An die Uhrzeit hatte er in diesem Moment keinen Gedanken verschwendet. Aber sie war ohnehin nicht an ihr Handy gegangen. Vermutlich hatte sie geschlafen und es war auf lautlos gewesen. Wenigstens hatte er nicht auf ihrem Festnetz angerufen und sie auch noch aus dem Bett gejagt. Er schämte sich beim Gedanken an seinen Zustand. Er musste sich wirklich zusammenreißen. Noch nie war er der Typ für Liebeskummer gewesen, da brauchte er als erwachsener und gestandener Mann nicht damit anfangen. Er würde alles in Ordnung bringen und mit Charlotte glücklich werden. Wenn er nur wüsste, was er mit Ute machen sollte. Beim Gedanken an ihr Zusammentreffen gleich wurde ihm noch übler, als es ihm durch seinen Kater ohnehin schon war.
Er empfand nichts, wenn er an sie dachte. Da waren keinerlei Gefühle mehr, einfach nur Leere. Wahrscheinlich hatte er sie nie wirklich geliebt, aber er glaubte, dass diese Gleichgültigkeit, die er gerade gegenüber seiner schwangeren Frau empfand vielleicht noch viel schlimmer war, als wenn er irgendwelche negativen Gefühle für sie hegen würde. Sie war ihm egal, er wollte sich nicht mit ihr beschäftigen müssen und er wollte auch dieses Kind nicht. Er fragte sich, ob er wohl überhaupt richtige Vatergefühle für das Kind würde empfinden können. Hoffentlich wurde es ein Junge, der ihm ähnelte. Er glaubte, damit besser umgehen zu können, als wenn dieses ungewollte Kind auch noch eine Miniaturausgabe seiner Mutter wurde. Gleichzeitig schämte er sich für derlei Gedanken. Das Kind konnte nichts dafür und schließlich war es sein eigen Fleisch und Blut, also hatte er auch einen Grund, stolz darauf zu sein und würde es hoffentlich entsprechend behandeln können. Hoffentlich...
Er griff nach seinem Handy und hegte insgeheim die Hoffnung, Charlotte habe vielleicht auf den verpassten Anruf von ihm reagiert. Natürlich hatte sie es nicht. Stattdessen sah er fünf Anrufe in Abwesenheit von Ute und zwei SMS. In der ersten hatte sie gestern Abend noch geschrieben, wo er die Nacht verbringen würde und in der zweiten hatte sie vor einer halben Stunde gefragt, wann sie mit ihm rechnen könne, sie habe nachher noch einen Frauenarzttermin.
Ein Frauenarzttermin. Er fragte sich, was sie ihm damit sagen wollte. Wollte sie etwa, dass er mitkam? Vor seinem inneren Auge liefen typische Schwangerschaftsfernsehszenen von Paaren beim gemeinsamen Hechelkurs ab. Er war sich sicher, von genau solchen Sachen träumte Ute. Aber nicht mit ihm. Er würde sie zwar während der Schwangerschaft nicht verlassen, aber sie brauchte auch nicht glauben, dass er seine Vaterfreuden beim gemeinsamen Ultraschallgucken oder Synchronhecheln ausleben würde. Wie grauenvoll. Ute würde mit Sicherheit so eine Übermutter, eine Glucke, die wahrscheinlich schon während der Schwangerschaft einen Elternratgeber nach dem anderen lesen würde. Er konnte das alles nicht aushalten. Hoffentlich hatte sie nicht bereits jetzt die ganze Wohnung mit irgendwelchen Babysachen zugepflastert.
Er beschloss, erst am Abend nach Hause zu fahren, damit erst gar nicht die Möglichkeit gegeben war, dass sie ihn fragen konnte, ob er sie zum Frauenarzt begleitete. Er wollte so wenig wie möglich mit dieser Schwangerschaft konfrontiert werden.

*****

Voller Enthusiasmus machte Ute sich auf den Weg zur Frauenärztin. Selbst Lars' Verhalten konnte ihre Laune heute kaum trüben. Natürlich hatte es sie belastet, dass er einfach nicht erschienen war gestern und sie war überzeugt davon, dass er die Nacht bei Charlotte verbracht hatte, aber das würde sich alles ändern. Ihre Periode war weiterhin überfällig und so war sie inzwischen mehr als guten Mutes, dass ihre Ärztin ihr gleich gratulieren würde. Vielleicht konnte sie Lars nachher, wenn er endlich kam, bereits das erste Ultraschallbild ihres Schatzes zeigen. Sie hatte keine Ahnung, wie früh in der Schwangerschaft so etwas möglich war, aber wenn die Frauenärztin sehen konnte, dass sie schwanger war, würde sie ihr bestimmt irgendetwas mitgeben können, was sie Lars präsentieren konnte. Sie war zwar nicht überzeugt, dass ein kleiner Punkt auf einem Schwarz-Weiß-Bild bereits Vatergefühle in ihm auslösen würde, aber irgendetwas würde es sicher in ihm bewegen. Strahlend betrat sie die Praxis.

"Und Sie sagten, Sie sind überfällig?"
"Ja, schon ganz lange.", Ute strahlte. "Zumindest für meine Verhältnisse."
"Na dann wollen wir mal schauen."

Ute nahm auf dem Stuhl Platz und ihre Ärztin begann mit der Untersuchung. Gebannt starrte Ute abwechselnd auf den Bildschirm und in das Gesicht ihrer Ärztin. Konzentriert führte sie den Ultraschall durch. Plötzlich veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und sie sah Ute an.

"Sehen Sie das hier?"
"Ja.", sagte Ute erwartungsfroh, aber der Gesichtsausdruck der Ärztin irritierte sie.
"Es tut mir leid. Wir sehen hier den Grund warum Ihre Tage sehr wahrscheinlich momentan ausbleiben. Das ist eine Zyste. Schwanger sind Sie definitiv nicht.

Ute wurde schwarz vor Augen.

Mittwoch, 20. März 2013

Valentinsabend - Donnerstag, 14. Februar 2013

Lars war aufgeregt wie ein kleiner Junge, als er in Köln aus dem Zug stieg und sich auf den Weg zu Charlottes Wohnung machte. Ursprünglich hatte er zuerst nach Hause gewollt um sein Gepäck loszuwerden, aber der Gedanke, Ute vor dem Gespräch mit Charlotte ausgesetzt zu sein, hatte ihm solche Magenschmerzen bereitet, dass er sich entschieden hatte, einfach sofort mit Sack und Pack vom Bahnhof zu Charlotte zu fahren. Das ersparte ihm außerdem mögliche Diskussionen mit Ute darüber, in welche Richtung er das Haus verließ. Es graute ihm jetzt schon davor, nachher mit ihr reden zu müssen. Er hatte keine Ahnung, in welcher Gemütslage sie sich befand und wusste auch nicht wirklich, was er ihr sagen sollte. Insgeheim hoffte er darauf, dass er zumindest Letzteres nach dem Gespräch mit Charlotte wüsste. Wenn sie bloß zu Hause war. Und hoffentlich alleine. Der Gedanke, es könnte ein anderer Valentin bei ihr im Bett liegen, machte ihn fertig.
Immerhin hatte sie ihm eine Dankes-SMS für seinen Champagnergruß geschickt. Zwar hatte sie sich dabei auch auf das einzige Wort Danke beschränkt, aber immerhin hatte sie sich überhaupt gemeldet. Das interpretierte er als gutes Zeichen. Er hatte aber nichts darauf geantwortet, ihm war nichts Sinnvolles eingefallen und außerdem hatte er seinen Überfall nicht gefährden wollen.
Ein weiteres Geschenk für sie hatte er auch nicht mehr gekauft, er hatte einfach nichts Adäquates gefunden und sich dann gedacht, es sei möglicherweise auch besser so, dann wirkte es nicht so, als wolle er sie mit Geschenken bestechen.

Nun stand er mit seinem Koffer und einer Reisetasche vor ihrem Haus und das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er betätigte die Klingel, aber es erfolgte keine Reaktion. Er seufzte, ließ sich aber nicht entmutigen, weil er wusste, dass sie häufig nicht reagierte, wenn sie niemanden erwartete und drückte die Klingel ein zweites Mal, dieses Mal länger. Wieder passierte nichts. Er überlegte, ob sie einfach nicht öffnete oder gar nicht zu Hause war und ob er sie wohl anrufen sollte. Oder sollte er sich bei den Nachbarn durchklingeln, bis ihn irgendjemand ins Haus ließ und es dann oben an ihrer Wohnungstür noch einmal probieren und gegebenenfalls dort warten? Da er sich nicht entscheiden konnte, drückte er zur Überbrückung ein drittes Mal lange auf dem Klingelknopf und tatsächlich schnarrte plötzlich ein fragendes "Hallo?!" aus der Gegensprechanlage.
Lars hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet und erschrak fast ein wenig, dann stammelte er intuitiv "Paketpost" und tatsächlich ging der Summer und die Tür war offen.

Eigentlich war es überhaupt nicht seine Absicht gewesen vorzutäuschen, er sei der Postbote, um Einlass zu erlangen. Er wusste selbst nicht, warum er es gemacht hatte, er war so perplex gewesen, als er plötzlich ihre Stimme aus der Gegensprechanlage vernommen hatte, dass er einfach intuitiv "Paketpost" gesagt hatte. Naja, sie würde ihm sicherlich verzeihen, auch wenn er nur mit Reisegepäck und ohne Paket vor ihrer Tür stand. Wer weiß, vielleicht hätte sie ihn auch gar nicht hineingelassen, wenn er nicht der Paketbote gewesen wäre...

*****

Bereits zum zweiten Mal klingelte es heute an der Türe, ohne das Lotte irgendwen erwartete. Sie beschloss, es zu ignorieren. Auch als es erneut klingelte, sagte sie sich, dass sie bereits ihren Valentinsgruß erhalten hatte und es keinen Grund gab, die Türe zu öffnen. Doch als es zum dritten Mal klingelte und wieder lang und eindringlich, siegte schließlich ihre Neugierde. Vielleicht war es doch etwas Wichtiges. Sie könnte wenigstens fragen, wer dort war, im Zweifel ließ sie die Person eben nicht hinein.
Diesmal war es der Paketbote und nachdem sie bereits dem Blumenmann in ihrer Sonnenbrille heute Morgen gegenübergetreten war, beschloss sie, dass sie es ein weiteres Mal auch beim Paketboten überleben würde. Ein Auftritt in Sonnebrille war immer noch weniger seltsam, als nachzufragen und ihm dann nicht die Türe zu öffnen. Sie war gespannt, was es diesmal sein mochte. Am Ende hatte Jan sich doch eines Besseren besonnen und ihr einen Valentinsgruß geschickt?
Sie hörte, wie jemand die Treppe hochgeächzt kam. Was immer der Paketbote brachte, es hörte sich an, als habe er ziemlich schwer zu schleppen, so wie er stampfte und mit seiner Last gegen das Treppengeländer schepperte. Lotte spürte ein leichtes Kribbeln im Bauch. Was konnte in so einem großen Paket wohl drin sein und wer hatte es ihr geschickt?
Als sie hörte, dass der Bote ihren Treppenabsatz erreicht hatte, riss sie die Türe auf, ohne sich zuvor durch den Spion zu vergewissern, dass es auch wirklich ein Paketbote war, wie sie es heute Morgen getan hatte. Wer so schwer schleppte, würde kaum kommen, um sie zu vermöbeln.

Als sie ins Gesicht des vermeintlichen Paketboten blickte, war es dennoch wie ein Schlag ins Gesicht. "Lars!", schrie sie überrascht auf, dann wich sie zurück und schloss die Wohnungstür bis auf einen winzigen Spalt. Am liebsten hätte sie sie ganz zugeknallt beim Gedanken an ihr Auge, aber das wagte sie nicht. Sie wäre am liebsten im Boden versunken. Wie hatte sie so dumm sein können einfach die Türe zu öffnen? Sie wollte nicht, dass er sie so sah. Sein Blick sprach jetzt schon Bände.

"Charlotte! Willst Du mich nicht reinlassen?"
"Nein... ja... ich..."
"Wieso trägst Du diese Sonnenbrille?". Seine Stimme klang alarmiert.
Ihre Stimme zitterte. "Karneval... du weißt schon, Augenringe... die Spätfolgen vom Saufen."
Er sah sie zweifelnd durch den Türspalt an.
"Charlotte, lass mich rein, bitte. Ich möchte mit dir reden."

Lotte gab die Tür frei. Es hatte keinen Sinn, er hatte sowieso gesehen, was los war und sie konnte ihn doch jetzt nicht wegschicken.
"Lotte, nimm die Brille ab. Die brauchst du hier drin nicht."

Sie schüttelte heftig den Kopf. Er sah, wie Tränen unter den dunklen Gläsern durchrannen. Vorsichtig nahm er ihr die Brille ab und schloss sie in die Arme. Der Anblick, der sich ihm unter der Brille bot war schlimmer, als er befürchtet hatte. Wut stieg in ihm auf.
"Charlotte, wer war das?"

Sie antwortete nicht, schluchzte nur heftig in seinen Armen.
"Lotte, wie ist das passiert?"

Er drückte sie ein Stück von sich weg, so dass er ihr ins Gesicht schauen konnte. Sie senkte den Blick.
"Ein Unfall an Karneval. Es war Gedränge beim Zug und auf einmal hatte ich einen Ellbogen im Gesicht. Du weißt ja, wie das ist. Passiert an Karneval. Dumm gelaufen."

Sie versuchte ein schiefes Lächeln. Er glaubte ihr kein Wort. Viel zu fahrig war ihre Mimik, während sie versuchte, es ihm weißzumachen. Aber es war wohl auch nicht der Augenblick, wo er es mit ihr ausdiskutieren sollte. Er beschloss, es vorerst auf sich beruhen zu lassen und der Sache später auf den Grund zu gehen. Erst einmal hatten sie andere Dinge zu klären.
"Arme Maus."

Zärtlich drückte er sie wieder an sich und hielt sie minutenlang einfach nur in seinen Armen, bis sie sich beruhigt hatte.
Wenn er mit allem gerechnet hatte, aber nicht mit einer so verletzten und schutzbedürftigen Charlotte. Es musste ihr wirklich dreckig gehen, dachte er, während sie in seinen Armen lag und weinte. Sonst hätte sie sich diese Blöße nicht gegeben. Er hatte damit gerechnet, dass sie ihn zusammenstauchen würde, vielleicht auch achtkantig herauswerfen oder aber im besten Falle, ihn auflaufen lassen und anhören würde, ohne allzu viel Regung zu zeigen. Ab und zu eine spitze Bemerkung und dabei ein Pokerface, das über einen längeren Zeitraum, darauf war er gefasst gewesen. Aber nicht auf ein Häuflein Elend mit einem blauen Auge, dass weinend in seinen Armen lag und sich dabei nicht einmal Mühe gab zu verbergen, dass es sich danach gesehnt hatte.
Wieder wurde ihm klar, dass er nicht zu Ute zurück konnte, ob schwanger oder nicht. Ute hätte niemals solche Emotionen in ihm ausgelöst, wie er sie gerade empfand. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er es soweit hatte kommen lassen und Charlotte enttäuscht hatte, statt sich endlich zu ihr zu bekennen und aufzuräumen in seinem Leben. Er hätte längst bei ihr sein können, statt sich nach Paris zu flüchten und dann wäre vielleicht die Sache mit ihrem Auge gar nicht erst passiert. Er spürte eine unbändige Wut auf den, der ihr das angetan hatte. Sein Frauenbild mochte sicherlich von manchen Menschen als herablassend betrachtet werden, aber eines war für ihn klar, man schlug keine Frauen. Und wer immer Charlotte geschlagen hatte, würde dafür büßen. Er würde es herausfinden.

"Was wolltest du mir sagen?"

Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er musste es ihr sagen. Am besten direkt, dann hatte er es hinter sich.
"Ute ist schwanger."

Während Lars diesen Satz hervorpresste, machte er ein Gesicht als hätte er gerade verkündet, dass er unheilbar krank sei. Lotte schluckte schwer.
"Das war eines meiner 95 Horrorszenarien. Herzlichen Glückwunsch. Dann werdet Ihr ja jetzt bestimmt eine glückliche Familie."

Während sie das sagte, liefen ihr erneut die Tränen. Lars seufzte.
"Nein, Lotte, das werden wir nicht. Ich musste die Nachricht nur verdauen. Und natürlich konnte ich mich deswegen auch nicht wie geplant trennen. Ich habe es vorgehabt, wirklich. Ich habe angefangen, ihr alles zu sagen und dann sagte sie plötzlich, dass sie schwanger ist. Was hätte ich denn tun sollen? Ich habe mich erstmal nach Paris zurückgezogen. Ich wusste nicht mehr, wo vorne und hinten ist, das kannst du mir glauben. Ich weiß es immer noch nicht. Ich will kein Kind mit dieser Frau, ich will eine Familie mit dir. Aber ich kann ihr ja nicht sagen, dass sie es wegmachen soll. Und ich traue mich auch nicht, mich jetzt in der Schwangerschaft von ihr zu trennen. Sie ist ohnehin so labil, wenn sie wegen dem Trennungsstress das Kind verlieren würde, würde ich mir das nie verzeihen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, momentan denke ich, ich warte einfach ab, bis das Kind auf der Welt ist und trenne mich dann endgültig. Also ich kümmere mich natürlich um mein Kind, aber Utes und mein Weg wird sich dann endgültig trennen und dann können wir beide endlich zusammen sein. Was meinst du?"

Entgeistert starrte Lotte ihn an. In ihrem Kopf drehte sich alles, sie musste seine Worte erst verdauen, das war alles zu viel für sie.
"Ich weiß es nicht. Geh zu ihr. Geh und kümmer dich um dein Kind!"

Sie stieß ihn weg. "Geh jetzt bitte. Mir ist das gerade alles zu viel."

Wie ein begossener Pudel stand Lars vor ihr, dann griff er nach seinem Gepäck und wandte sich zur Tür.
"Gehst du jetzt zu ihr?"
"Nein, ich nehme mir ein Hotelzimmer. Ich gehe morgen zu ihr. Ich habe sie seit dem Tag nicht mehr gesehen und muss mit ihr reden, wie es weitergeht."
"Und dann ziehst du wieder bei ihr ein?"
"Ich weiß es nicht, Charlotte. Ich weiß gar nichts mehr. Haben wir noch irgendeine Chance oder wirfst du mich gerade für immer raus?"
"Ich weiß es nicht. Ich will keinem Kind den Vater nehmen. Ich habe mir immer geschworen, dass das der Moment sein würde, wo ich mich zurückziehe."

Sie drückte ihn schon fast durch die Wohnungstür. Scheinbar konnte sie ihn gar nicht schnell genug los werden. Immer noch rannen ihr die Tränen über das Gesicht. Ihr geschwollenes Auge musste unglaublich wehtun. Er wollte nicht gehen. Er wollte bei ihr bleiben. Für immer. Aber vielleicht war es dafür nun zu spät. Vielleicht hätte er vorher mit Ute klare Verhältnisse schaffen müssen. Sie wollte keinem Kind den Vater nehmen. Sie würde ihn nicht nehmen, selbst wenn er sich nach der Geburt von Ute trennen würden, dessen war er sich plötzlich sicher.
Auf der obersten Stufe blieb er stehen. Sie hatte die Wohnungstüre noch einen kleinen Spalt weit offen.

"Charlotte?"
Sie sah ihn an.
"Lotte, ich liebe dich. Ich bringe das alles in Ordnung und dann werden wir glücklich. Warte auf mich. Bitte!"

Sie schloss die Tür, ohne ihm eine Antwort zu geben. Auch ihr Blick unter dem Tränenschleier verriet nichts.
Lars rief sich ein Taxi und ließ sich zu einem Hotel fahren. Er würde Ute eine SMS schicken, dass er erst morgen kam. Er konnte sie heute nicht ertragen. Sollte sie denken, was sie wollte. Dann würde er das Handy im Hotelzimmer lassen und sich an der Hotelbar hemmungslos betrinken.

Sonntag, 17. März 2013

Valentinsmorgen - Donnerstag, 14. Februar 2013

Es klingelte an der Tür. Lotte stutzte. Eigentlich erwartete sie niemanden und wenn sie niemanden erwartete, ignorierte sie die Türklingel in der Regel, da in diesem Haus andauernd irgendjemand klingelte und sie keine Lust hatte, sich mit irgendwelchen Werbeboten oder Zeugen Jehovas auseinanderzusetzen. Als es erneut klingelte und diesmal länger, war zumindest klar, dass derjenige unten zu ihr wollte und nicht nur generell Einlass begehrte, um an die Briefkästen zu kommen. Vielleicht war es der Paketbote, der klingelte manchmal so beharrlich. Sie beschloss, wenigstens mal an der Gegensprechanlage nachzuhören.

"Eine Lieferung für Sie!"

Instinktiv betätigte Lotte den Türöffner, erst dann dachte sie an ihr Auge. Hastig griff sie nach ihrer Sonnenbrille. Sollte der Paketbote denken, was er wollte. So unmittelbar nach Karneval würde sie nicht die einzige seltsame Gestalt sein, die ihm die Türe öffnete.
Plötzlich kamen ihr Zweifel. Sie hatte doch gar nichts bestellt. Nicht, dass es eine Falle von Jan war? Sie hörte jemanden die Stufen hochkommen und rief sich zur Ordnung. Als wenn Jan sie in ihrer Wohnung überfallen würde, langsam wurde sie wirklich paranoid. Trotzdem blickte sie erst vorsichtig durch den Spion, bevor sie ihre Wohnungstür öffnete. Sie erblickte einen älteren Mann, der tatsächlich eher wie ein Bote als wie ein Mörder aussah.
Sie öffnete die Tür.

"Da hatten Sie aber einen großzügigen Valentin. Eine Unterschrift bitte, die Dame!"

Der Bote reichte ihr eine Flasche Champagner, an deren Hals eine Rose befestigt war. Sie hatte das Gefühl, dass er die ganze Zeit auf ihre Sonnenbrille starrte. Hastig unterschrieb sie und griff dann nach dem Euro für den Einkaufswagen aus ihrem Schlüsselmäppchen und drückte ihn dem Mann als Trinkgeld in die Hand. Er bedankte sich und wünschte Ihr viel Spaß beim Anstoßen am Abend mit dem Liebsten.

Lotte schnaubte. Von wem auch immer dieser Valentingsgruß kam, sie würde heute Abend sicherlich mit keinem Liebsten anstoßen. Erst jetzt sah sie, dass zusammen mit der Rose auch noch ein kleiner Umschlag an der Flasche befestigt war. Sie öffnete ihn und las.


Liebe Charlotte,
ich mag kein Valentin und Du keine Blumensträuße, deswegen sieh diesen Gruß (ich hoffe, die Champagnerflasche ist größer als das Blümchen) als Zeichen dafür, dass ich nicht nur an Valentin, sondern jeden Tag an Dich denke und Dich wahnsinnig vermisse. Gib uns eine Chance und lass uns reden!
Lars


Sofort stiegen ihr die Tränen in die Augen. Wie süß von Lars. Sie musste an die Worte des Boten denken. Wie gerne würde sie heute Abend mit Lars anstoßen, aber sie wusste nicht einmal, wo er war. Und eigentlich wollte sie es auch nicht wissen. Wahrscheinlich überreichte er gerade Ute einen überdimensionalen Blumenstrauß, schließlich musste der allwöchentliche Blumenstrauß an Valentin ja getoppt werden. Allein der Gedanke widerte sie an. Warum hatte er nicht einfach Schluss machen und alles gut werden können?
Trotzdem sehnte sie sich gerade unendlich nach ihm. Sie nahm den Champagner, legte ihn in den Kühlschrank und stellte die Rose in eine Vase. Dann griff sie zu ihrem Handy und schrieb eine SMS an Lars.

Danke.

Das musste reichen. Sie war gespannt, ob er reagieren würde.

Dienstag, 12. März 2013

Aschermittwoch - Mittwoch, 13. Februar 2013

Ute war froh, dass dieses fürchterliche Karnevalstreiben endlich ein Ende hatte und das Leben in der Stadt nun wieder seinen gewohnten Gang ging. Vorallem aber war sie auch voller freudiger Erwartung, was die nächsten Tage ihr bringen würden. Morgen war Valentin und Lars kehrte aus Paris zurück. Auch wenn es wenig Anlass zur Hoffnung gab, dass ausgerechnet am Valentinstag wieder alles gut werden würde zwischen ihnen, so hoffte sie doch insgeheim darauf, dass er sich durch seine lange Pause in Paris inzwischen ein wenig beruhigt hatte und morgen die Versöhnung mit ihr suchen würde. Vielleicht freute er sich inzwischen ja auch auf das Kind. Und auch wenn Lars bisher immer seine Verachtung gegenüber Valentinsgeschenken geäußert hatte, so träumte sich doch ein klitzekleines bisschen davon, dass er morgen heim kam und ihr sagen würde, alles sei wieder gut, er habe die Schwangerschaft nur erst einmal verdauen müssen und nun habe er sich für sie und das Kind und gegen Charlotte entschieden. Könnte es einen besseren Anlass dafür geben, als Valentin? Vielleicht war es ja kein Zufall, dass er ausgerechnet diesen Tag für seine Rückkehr und ein Gespräch ausgesucht hatte. Irgendwo tief in seinem Inneren musste doch auch Lars Laslandes einen kleinen Hauch von Romantik haben....

Eine gewisse Euphorie trug Ute auch deswegen in sich, weil sie weiterhin ihre Periode nicht bekommen hatte. Übermorgen war der Frauenarzttermin endlich, dann würde sie Gewissheit erlangen, aber so langsam durfte sie sich doch ihrer Meinung nach berechtigte Hoffnung machen, tatsächlich schwanger zu sein. So lange war sie noch nie überfällig gewesen. Sie musste lächeln. Sie war sich sicher, alles würde gut werden, wenn sie tatsächlich ein Kind erwartete. Wenn nicht schon morgen, dann eben bald. Lars würde sie nicht verlassen, wenn sie schwanger war. Er würde sich seinem Kind nicht entziehen können. Vielleicht konnte sie ihm am Freitag schon ein Ultraschallbild zeigen...

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Gerade hatte Lotte bei ihren Eltern angerufen und für das traditionelle Familienfischessen am Aschermittwoch-Abend abgesagt. Mit ihrem Auge konnte sie dort unmöglich erscheinen, sie hatte keine Lust, irgendwelche Fragen dazu beantworten zu müssen oder sich Vorwürfe über ihren Umgang gefallen zu lassen. Sie hatte Übelkeit vorgeschoben, wobei vorgeschoben relativ war, ihr war tatsächlich mal wieder totschlecht. Es war einfach alles zu viel momentan. Sie vermisste Lars und war inzwischen doch daran interessiert, was er ihr zu sagen hatte. Die Ungewissheit darüber, was passiert war, war anscheinend doch noch schlechter zu ertragen als irgendeine unbequeme Wahrheit. Nur, ob er ihr die Wahrheit sagen würde, war ja auch die Frage. Sie befürchtete, nur wieder irgendwelche Ausflüchte am Telefon zu hören, eigentlich war es das, was sie bisher abgeschreckt hatte, ihm zuzuhören. Aber inzwischen war die Sehnsucht so stark, dass sie glaubte, falls er heute wieder anrufen würde, würde sie den Anruf annehmen und sich anhören, was er ihr zu sagen hatte.

Aber er rief nicht an. Bis sie ins Bett ging, hatte sie an diesem Tag weder einen Anruf, noch eine Mail oder SMS von Lars erhalten. Das erste Mal seit Tagen, dass er sich gar nicht gemeldet hatte. Vielleicht hatte er aufgegeben. Ausgerechnet jetzt, wo sie so gerne mit ihm gesprochen hätte. Aber den ersten Schritt zu tun und sich selbst bei ihm zu melden, so schlecht ging es ihr noch nicht. Nein, er musste kommen.

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Stundenlang war Lars durch Paris gelaufen auf der Suche nach einem Geschenk für Charlotte. Was schenkte man der Frau zum Valentinstag, die man am liebsten heiraten wollte, während man ihr die Nachricht überbringen musste, dass man sich immer noch nicht von seiner Frau trennen konnte, weil diese nun ein Kind erwartete? Er hatte kein adäquates Geschenk gefunden. Als er die Frage per SMS an Frank weitergeleitet hatte, hatte dieser ihm nur zurückgeschrieben, er solle am besten etwas Kleines wählen, damit könne sie ihm wenigstens nicht sofort den Schädel einschlagen. Er hatte ja Recht. Charlotte hätte allen Grund, ihm sein Geschenk um die Ohren zu hauen und er war sich relativ sicher, dass sie dazu durchaus in der Lage war, wenn er ihr morgen die Situation nicht sehr gut erklären konnte. Aber gab es eine gute Erklärung? Konnte er erwarten, dass sie Verständnis für die Situation zeigte? Er war sich nicht sicher. Eigentlich wollte er gerne ihre Meinung hören, wie er nun weiter mit Ute umgehen sollte, ob er sich trennen konnte, wenn sie schwanger war oder nicht, aber er sah ein, dass sie in der momentanen Situation wohl die falsche Ansprechpartnerin war. Er konnte kaum von ihr verlangen, dass sie ihm auch noch darin bestärkte, bei Ute zu bleiben. Wahrscheinlich würde sie es sogar tun, im Gegensatz zu ihm besaß sie Rückgrat, aber er wollte es ihr nicht antun.
Sein momentan favorisierter Plan war, sich von Ute zu trennen, sobald das Kind da war, so dass die Schwangerschaft nicht gefährdet würde. Aber wahrscheinlich konnte er das Charlotte so nicht kommunizieren, sie würde sich sicherlich erneut vertröstet fühlen und möglicherweise klang es auch zu grausam für eine Frau.
Hoffentlich würde sich alles morgen spontan finden. Charlottes Nähe hatte ihm immer Kraft gegeben und vielleicht würde sie ihn morgen auch spontan die richtigen Worte finden lassen. Bis dahin musste er dann nur noch das passende Geschenk finden. Er hoffte, über Nacht noch eine Eingebung zu bekommen.
Gemeldet hatte er sich heute bewusst nicht bei Charlotte. Ein bisschen Abstand vor seinem Überfall morgen war vielleicht ganz gut und außerdem konnte er so ausschließen, sich kurzfristig doch noch eine Abfuhr einzufangen, bevor er morgen bei ihr aufkreuzen wollte.